Elidar (German Edition)
Lachen, das ihm misslang.
Elidar lauschte dem krächzenden Laut hinterher. Wie schon früher am Abend regte sich das andere Bewusstsein tief in ihrem Innern und flüsterte: Nimm ihn mit. Treue Männchen sind nützlich. Du kannst ihn ja jederzeit wieder fortschicken.
»Nein«, widersprach sie laut. Valon blinzelte.
»Ich habe nicht dich gemeint«, sagte sie schnell. »Manchmal rede ich mit mir selbst.«
»Hm«, machte er und verengte die Augen. »Du willst also nicht, dass ich dich begleite?« Er klang eingeschnappt, aber da war auch Erleichterung zu spüren.
Elidar legte den Arm um seine Schulter. »Danke für das Angebot, es war sehr großherzig von dir. Aber ich denke, dass es so besser ist. Für uns beide.« Sie zögerte, dann gab sie ihm einen schnellen Kuss auf den Mund. »Leb wohl«, sagte sie.
Valon erwiderte den Druck ihrer Hand und öffnete die Tür.
»Valon?«, rief sie. »Würdest du - würdest du Valerian von mir grüßen?«
Er wandte sich nicht um. »Ja«, sagte er kurz. »Leb wohl.«
Elidar ließ sich auf ihr Bett fallen und legte den Arm über ihre Augen. Wenn sie nach innen schaute, dann musste sie erstaunt feststellen, dass der Abschied von Valon nicht mehr und nicht weniger schmerzte als der von Eusebian. Der Gedanke an seinen Bruder hatte ihr einen Stich versetzt - aber Valerian war nun schon so lange aus ihrem Leben verschwunden, dass der Schmerz fern und klein war und schnell wieder verging. Dieser Teil ihres Lebens war nun endgültig vorüber. Jetzt kam etwas völlig Neues, und sie begann sich darauf zu freuen.
Sie schlief nicht in dieser Nacht. Stattdessen flog sie durch funkensprühende Dunkelheit und atmete die eisige Luft der nächtlichen Wüste. Es fühlte sich immer richtiger und normaler an, ein Drache zu sein. Die Erinnerung an ihr menschliches Dasein verblasste zu seltsamen Traumgebilden.
Als der Morgen dämmerte, musste sie ihre ganze Kraft darauf verwenden, wieder in ihren eigenen Körper zurückzukehren und sich darin zurechtzufinden. Sie stand schwankend auf und richtete ihre zerdrückten Kleider. Eigentlich hätte sie müde sein müssen, aber ihr Geist war frisch, kalt und klar wie die Wüstennacht. Es kostete sie einige Mühe, ihren Blick zu fokussieren, denn Drachenaugen boten eine vollkommen andere Sicht auf die Welt. Der Winkel war ein anderer, die Höhe vom Boden, und auch die Farben und Formen boten sich seltsam anders dar, wenn man die Dinge durch ein Drachenauge betrachtete.
Elidar konzentrierte sich auf ihre Hände. Das waren die Stellen ihres Körpers, die dem Drachen in ihr am seltsamsten erschienen, und die deshalb am besten dafür geeignet waren, sie wieder ganz und gar in ein menschliches Wesen zu verwandeln.
Nach einer Weile seufzte sie und blickte auf. Ja, das war der gewohnte Anblick ihrer Kammer. Sie warf einen letzten Blick rundum, schulterte dann ihren Reisesack und schloss die Tür hinter sich.
Sie dachte über ein Frühstück nach, als sie am Refektorium vorbeiging, aber sie verspürte keinen Hunger, noch nicht einmal Appetit. Deshalb wandte sie ihre Schritte gleich zum Arbeitzimmer seiner Magnifizenz.
Wie es schien, hatte Sturm sie bereits erwartet. .Er nickte, als sie eintrat. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Du siehst aus wie ein reisender Magister. Eusebian hat deine Kleidung gut ausgesucht.«
»Es stört Euch nicht?«, fragte Elidar erstaunt. Sie fand auch, dass ihre Kleider dem formellen Habit glichen. Sie waren schmucklos, beinahe düster, und der lange Mantel war wie eine Kukulle geschnitten. Wenn sie ihn schloss und auch noch die Kapuze in die Stirn zog, würde jedermann sie als Magister erkennen.
Sturm neigte den Kopf. »Es ist gut so«, sagte er. »Immerhin bist du ein Magister unseres Ordens. Die Dunkle Nigh hat dich erkannt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir dich entlassen haben.«
Elidar nickte knapp. Das war schon mehr an Anerkennung, als sie von Casarius Sturm überhaupt erwartet hätte. »Ihr habt also nichts dagegen einzuwenden, wenn ich als reisender Magister von hier fortgehe?«
Er zog die Brauen zusammen. »Je nun«, sagte er zögernd. »Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass du deine Ausbildung hier abgeschlossen hast. Sehr gut abgeschlossen hast, wie ich hinzufügen möchte.« Er räusperte sich unbehaglich. »Unter anderen Umständen wäre ich stolz, dich vor der gesamten magischen Welt als meinen Schüler bezeichnen zu dürfen. Aber immerhin - du bist ein ausgebildeter Magister. Wenn du mir
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