Elidar (German Edition)
versprichst, diskret mit deinem - nun - kleinen Makel umzugehen …«
Elidar fuhr auf. »Was nennt Ihr einen ›kleinen Makel‹?«
Er vollführte eine hilflose Handbewegung. »Elidar, mache es mir nicht noch schwerer«, bat er. »Du hast dich unter falscher Flagge hier eingeschlichen und musst gewusst haben, was das bedeutet. Nimm mir nicht übel, dass ich nicht anders handeln kann. Ich tue nur das, was für den Orden und uns alle am Besten ist. Du kannst in Frieden von hier fortgehen und wir werfen dir keinen Stein hinterher.«
»Das wäre ja auch noch schöner«, sagte Elidar erbost. »Ich darf Euch daran erinnern, dass Ihr nicht einmal mehr in der Lage wärt, einen Stein vom Boden aufzuheben, wenn ich Euch nicht geholfen hätte.«
Er senkte den Blick. »Das ist wahr, und du wirfst mir zu Recht Undankbarkeit vor«, sagte er leise. »Glaube mir, Elidar, ich bin nicht glücklich darüber. Wenn ich könnte, dann würde ich dich so, wie du bist, in Ehren hier deine Arbeit tun lassen.«
Elidar schüttelte den Kopf. »Aber Magnifizenz, Ihr könnt doch nicht ernsthaft behaupten, dass Ihr keine freie Hand habt in dem, was Ihr tut und lasst.«
Er sah sie scharf an. »Du redest, wie du es verstehst. Nein, Elidar, ich mag zwar über einen großen Spielraum verfügen, in dem ich mich frei bewege. Aber auch als Oberhaupt des größten und angesehensten Magierordens habe ich Rücksichten zu wahren und bin Regeln unterworfen. Der Kurator …«
»… hat eine Magierin zur Nebenfrau genommen«, unterbrach ihn Elidar. »Es scheint ihn nicht sonderlich zu berühren.«
Sturm kniff die Lippen zusammen. »Das ist wahrlich etwas vollkommen anderes.«
»Und Ihr selbst? Ihr habt eine Magierin unterrichtet - vor mir.«
Seine Augen verengten sich. »Wer hat dir das erzählt? Ach, natürlich, Eusebian, der alte Schwätzer!« Er ballte die Faust. »Hat er dir auch berichtet, was das für Konsequenzen hatte? Ich wäre um ein Haar relegiert worden. Ich habe meinen Rang verloren und durfte für beinahe zehn Equils das Ordenshaus nicht mehr betreten. Ich war gezwungen, als reisender Magister meinen Lebensunterhalt zu verdienen - und das zur Zeit des Großen Aufstandes, als alle meine Kollegen sich in ihren Häusern verschanzten, weil Magister Freiwild waren!«
Elidar nickte knapp und griff nach ihrem Reisesack, den sie neben ihren Füßen abgestellt hatte. »Ich darf mich also verabschieden, Magnifizenz.«
»Warte«, sagte der Magus. Er zog eine Lade auf und entnahm ihr einen wohlgefüllten Beutel, den er über den Tisch zu ihr hinschob. »Ich weiß, dass ich dir nicht bezahlen kann, was du für mich getan hast. Aber du sollst zumindest nicht mittellos von hier fortgehen.«
Elidar blickte auf den Beutel nieder. Das war eine stattliche Summe Geldes - sie konnte sehen, dass es nicht nur Kupfermünzen waren, die das Leder ausbeulten. Casarius Sturm wollte wahrlich nicht undankbar und kleinlich aussehen.
Sie blickte ihn an und neigte kurz den Kopf. »Ich danke Euch für diese großzügige Gabe. Aber ich möchte sie nicht annehmen. Ich bin nicht mittellos.« Sie schulterte ihren Reisesack und wandte sich zum Gehen.
»Warte«, sagte Casarius Sturm wieder. Er hatte sich erhoben und kam um den Tisch herum. »Ich verstehe, dass du nichts von mir annehmen willst. Aber ich möchte dich um etwas bitten.« Er presste verlegen die Hände gegeneinander. Dann griff er in eine Tasche seines Gewandes und zog ein schmales Büchlein heraus, das er ihr nach kurzem Zögern reichte. »Es ist kostbar«, sagte er leise. »Nicht nach Geldeswert, niemand würde dir dafür auch nur einen lumpigen Drachen geben. Aber dieses Buch hat eine Geschichte, die wahrscheinlich nur noch ich kenne, der ich es von meinem Vorgänger in diesem Amt bekommen habe.«
Elidar blickte auf das Buch nieder. Es hatte Stockflecken und strömte einen modrigen, schimmligen Geruch aus. Als sie den Einband öffnete, rieselten kleine Flocken heraus, als würde das Buch sich jetzt in diesem Augenblick vor lauter Alter auflösen. Sie schloss es eilig wieder und hielt es ein wenig von sich weg. Es roch wirklich nicht gut.
»Was soll ich damit?«, fragte sie ratlos.
Casarius Sturm schabte sich unbehaglich über das Kinn. »Es ist vollkommen verrückt von mir, das zu tun. Dieses Buch ist ebenso ein Teil unseres Ordens wie das Auge der Dunklen Nigh. Ich dürfte es nur meinem Nachfolger und sonst niemandem anvertrauen.« Er rieb wieder nervös seine Hände gegeneinander. »Nimm es an dich.
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