Elidar (German Edition)
der Lage war, jeden Menschen hier im Haus mit Namen anzusprechen und zweitens vollkommen verrückt sein musste.
Elidar lächelte in sich hinein und streckte die Beine aus. »Flavian?«, rief sie nach hinten. »Wann rechnest du mit Rui?«
Der Wirt steckte den Kopf durch die Tür. »Rui«, sagte er überrascht. »Er müsste im Laufe der übernächsten Woche hier eintreffen, Herr.«
»Gut«, murmelte Elidar. Damit war ihre Rückreise nach Yasaim gesichert. Händler waren froh, wenn ein Magier ihre Karawane begleitete und nahmen in der Regel noch nicht einmal Geld dafür.
Flavian ächzte heran und stellte ein hochbeladenes Tablett vor ihr ab. Elidar starrte es an und fragte: »Wen erwarten wir noch?«
Der Wirt wischte verlegen die Hände an seiner Schürze trocken. »Das Beste, was die Küche zu bieten hat«, stotterte er. »Und frisch gezapftes Bier aus einem Fass, das ich extra für Euch angeschlagen habe. Ich hoffe, es mundet Euch!« Er zog sich unter tiefen Verbeugungen zurück.
Elidar nahm das Frühstück in Angriff, und endlich meldete sich der Hunger mit großer Macht zurück.
Das deftige und reichhaltige Frühstück war erstaunlich schmackhaft und das Bier, wie versprochen, frisch und kühl. Elidar schob gesättigt das Tablett von sich, auf dem immer noch genügend Essen lag, um einige hungrige Novizen satt zu bekommen, und trank einen großen Schluck aus dem frisch gefüllten Becher.
Dann lehnte sie sich zurück, stellte die Füße auf die Bank und zog neugierig das modrige alte Buch aus der Tasche. Sein lederner Einband trug noch Spuren einer alten Vergoldung, die aber längst abgegriffen und verblichen war. Vorsichtig schlug Elidar das Büchlein auf. Das Papier war brüchig und braun verfärbt. Sein vormaliger Besitzer hatte sich bemüht, es durch einen Konservierungszauber zu schützen, aber auch solch ein Zauber besaß seine natürliche Grenze. Sturm hatte gesagt, dass er es seit dreihundert Equils besaß, aber das Buch war offenbar noch deutlich älter. Sie wagte kaum zu atmen, als sie behutsam darin blätterte. Die Seiten waren eng mit einer spinnenfeinen Schrift bedeckt, und selbst als Elidar sie ganz nah an ihre Nase hielt, konnte sie das Geschriebene nicht entziffern. Es war, als entzögen sich die Buchstaben und Wörter ihrem neugierigen Blick.
Elidar fluchte leise und probierte einen Zauberspruch, mit dem man Verborgenes enthüllen konnte, aber die Schriftzeichen tanzten weiter.
Schließlich klappte sie das Buch entnervt zu und steckte es wieder ein. Das war nicht wichtig und konnte warten. Sie klopfte nachdenklich mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Bevor sie mit Rui abreiste, musste sie noch der Prinzessin Bescheid geben. Sao-Tan hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er sich bei ihr melden würde, sobald Morgenblüte wieder zu sprechen sei. Das konnte nun jeden Tag der Fall sein - oder aber noch geraume Zeit auf sich warten lassen. Elidar kannte sich nicht aus mit Geburten und der Frage, wann eine Frau danach wieder auf den Beinen zu sein pflegte.
Sie stand auf und rief den Wirt zu sich. »Sei so freundlich und lass meinen Reisesack auf mein Zimmer bringen. Ich bin heute Abend zurück und hätte dann gerne ein Abendessen auf dem Zimmer - aber bitte nicht ganz so reichlich wie dieses Frühstück.«
Der Wirt nickte und dienerte und druckste herum. Elidar musterte ihn fragend. »Herr«, murmelte der Wirt verlegen. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …« Seine Finger machten eine verschämte Geste.
Elidar lachte und zog Eusebians Börse hervor. »Was darf ich dir geben? Ich miete das Zimmer mit zwei guten Mahlzeiten am Tag, bis Rui wieder abreist.«
»Einen und einen Halbdrachen?«, fragte der Wirt. Er war ganz offensichtlich bereit, ihr Zimmer und Essen zu schenken, wenn sie ein böses Gesicht zog oder die Zahlung verweigerte.
Elidar aber nickte nur und griff in die Börse. Ein und ein halber Drachen fielen in ihre Finger, und obwohl sie in der Börse herumsuchte, wurde es nicht mehr. Ein Trinkgeld wäre angemessen, dachte sie. Fünf Unzen für die Köchin und zwei Unzen für den Burschen, der die Zimmer in Ordnung hält.
Es kribbelte kurz in ihren Fingerspitzen, dann berührte sie die Kupfermünzen, an die sie gedacht hatte. Sie drückte das Geld dem Wirt in die Hand und wies ihn an, Marcella und dem Burschen ihr Trinkgeld zu geben.
Der Wirt dienerte davon, und Elidar ging hinaus, um ein paar alte Erinnerungen aufzufrischen.
In einer Schänke am Flussufer ruhte sie am
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