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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Wohlgefallen die breiten Schultern und kräftigen Glieder des Menschen. Der Silberglanz, der ihn umhüllte, verbarg seine Züge vor ihr, aber die waren ihr ohnehin unwichtig. Sie streckte sich mit einem kehligen Geräusch und richtete sich hoch auf, unwillkürlich ihre Gestalt wechselnd.
    Der Mann erstarrte im Schritt, seine Hand flog hinauf zur Schulter und ein Schwert sprang hinein. Sie lachte gurrend. »Sieh an, ein großer Held«, spottete sie.
    Er war in Windeseile die Treppe hinuntergelaufen und stand nun vor ihr, den Kopf hoch erhoben. Das Silberleuchten verschleierte immer noch seine Züge, aber sie sah das Erstaunen in seinen Augen. Dort war keine Angst, und das gefiel ihr.
    Sie entfaltete ihre Schwingen halb und bemerkte, dass ihre Gestalt zwischen Mensch und Drache changierte. Die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, war menschlich, und ebenso Beine und Körper. Aber sie blickte aus Drachenaugen, denn es war dämmrig hell in dem finsteren Raum. Warum konnte er sie überhaupt erkennen? Sie blickte ihre Hand an und erkannte, dass auch ihre eigene Gestalt von einem hellen Glühen umflossen war. Rötlich, wie Feuersglut. Sie lachte wieder.
    Der Mann sank zu ihrer Verwunderung auf sein Knie, er legte das Schwert auf den Boden und senkte den Kopf. »Edle Li-Aung, Königin der Feuerdrachen«, sagte er demütig. » Nehmt mein Herz und meine Augen. Ich bin bereit zu sterben.«
    Sie streckte die feuerumflossenen Arme aus. »Dann stirb, tapferer Held«, antwortete sie in der singenden Sprache des mandeläugigen Volkes.
    Sie umschlang ihn und fühlte, wie sein starker Körper sich in ihrer Umarmung wand. Er schrie, und es lag gleichzeitig Schmerz und Ekstase in seiner Stimme. Die Drachenkönigin verschlang den Silbernen mit Haut, Haar und Knochen, sie nahm sein Herz und seine Augen, und er verging zuckend und stumm in ihrer Umarmung. Danach lag sie lange in der Stille und lauschte ihren eigenen Atemzügen, und die Gedanken waren sanfte Wellen, die an einen weit entfernten Strand schlugen.
    Leise Schritte und eine Hand, die sacht an ihrer Schulter rüttelte, weckten sie aus dem Dämmerzustand, der weder Schlaf noch Traum war.
    »Ich habe die Kutsche, Magister«, sagte der kleine Yasemit, der neben ihr hockte. »Sie steht drüben auf dem Hof des Kohlenhändlers, ich dachte, das ist weniger auffällig.«
    Er sah sie fragend an. »Alles in Ordnung?«
    Elidar schüttelte die Benommenheit ab. Was war geschehen? Undeutliche Bilder eines silberglänzenden Recken, der mit dem Schwert in der Hand vor ihr niederkniete, vergingen, als sie sie zu fassen versuchte.
    »Alles in Ordnung«, murmelte sie. »Ich habe schlecht geträumt.« Sie stand auf und schüttelte ihren Mantel aus. »Warte hier, Ibramarbi. Ich sehe nach, ob meine Gefährten reisefertig sind.«
    »Ibram«, sagte er. »Meine Freunde nennen mich Ibram.«
    »Hast du Freunde?« Sie konnte sich diese Frage nicht verkneifen.
    Er schenkte ihr ein weißblitzendes Lächeln. »FreundINNEN trifft es wohl genauer.«
    Elidar lachte und lief die Treppe hinauf. Sie klopfte an, und nach einigen Momenten hörte sie Sao-Tans Schritte. Er bewegte sich seltsam schwerfällig, und als er die Tür öffnete, wirkte er ähnlich benommen und verwirrt wie sie, als Ibram sie geweckt hatte. »Geht es dir gut?«, fragte sie besorgt.
    Er sah sie lange an, bevor er mit schleppender Stimme antwortete: »Ich bin eingeschlafen. Unverzeihlich.«
    »Ich war doch unten«, sagte sie begütigend.
    »Ja«, sagte er. »Du warst unten. Und da war …« Er verstummte und rieb sich mit einer matten Geste über die Augen. »Da war …«
    Elidar meinte, einen silbrigen Schimmer um seinen geschorenen Kopf zu sehen. Dann war die Erscheinung fort. Er schüttelte sich und straffte die Schultern. »Komm herein.«
    »Ibram hat eine Kutsche besorgt. Wann seid ihr reisefertig?«, fragte Elidar.
    »Sofort«, hörte sie Morgenblüte antworten. Sao-Tans breites Kreuz hatte ihr den Blick versperrt, aber nun sah sie die Prinzessin, die neben einer kleinen Reisetruhe kniete und ein bunt besticktes Gewand zusammenfaltete. Morgenblüte trug ein schlichtes ledonisches Gewand mit einem dunklen Mantel darüber, und ihr lackschwarzes Haar bedeckte der züchtige Schleier einer verheirateten Ledonierin. Elidar staunte.
    »Nun, ich kann nicht gut in einer seidenen Xiquang auf eine solche Reise gehen«, sagte Morgenblüte mit einem Lächeln. »Ich wollte ja Männerkleider, so wie du sie trägst, aber Sao-Tan hätte bei dem Gedanken

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