Elidar (German Edition)
finde Euch dort?« Er deutete mit den Augen auf das Haus am unteren Ende der Straße.
»Dort erwarte ich dich morgen«, bestätigte Elidar.
Er nickte und wandte sich zum Gehen. »Ihr werdet es nicht bereuen«, hörte sie ihn leise sagen, dann verschmolz seine Gestalt mit dem Schatten einer Seitengasse.
31
S ao-Tan weigerte sich, etwas von dem frischen Obst zu essen, bevor nicht seine Herrin gegessen hatte. Elidar sah, wie sein Blick verlangend auf einer dunkelroten Sonnenfrucht ruhte.
Elidar warf sie ihm zu. »Iss, Sao-Tan. Du nützt Morgenblüte nicht, wenn du vor Hunger und Sorge schlapp machst!«
Der Leibwächter betrachtete die Frucht in seiner Hand. Dann seufzte er und begann sie zu schälen.
Elidar beugte sich über die Prinzessin. Der Junge hatte eine einfache, aber saubere Strohmatratze besorgt, ein Kissen und weiche Decken. »Morgenblüte«, sagte Elidar leise und berührte ihre Wange mit der Fingerspitze. Die Prinzessin seufzte und schlug die Augen auf.
»Ich habe frische Früchte, Gebäck und Wein mitgebracht«, sagte Elidar. »Darf ich dir etwas davon bringen?«
Morgenblüte richtete sich mit Elidars Hilfe auf. »Wie lieb von dir«, sagte sie. »Eine Aprikose, ein Schluck Wein und ein wenig Gebäck, ach, das wäre schön.«
Sie aß und trank in kleinen Bissen und Schlucken. Dann legte sie die letzten Reste beiseite und sank zurück auf ihr Lager.
»Darf ich versuchen, dir zu helfen?«, fragte Elidar. »Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, aber ich habe an seiner Magnifizenz ein wenig üben können.«
Morgenblüte lachte schwach. »Versuche es, Drachentochter. Ich selbst habe mir nicht helfen können.«
Sao-Tan kam an ihre Seite und kniete wachsam neben ihr nieder. Elidar sah ihn an. »Ihr wird nichts geschehen«, sagte sie sanft. Sao-Tan nickte stumm.
»Habe ich euch schon erzählt, wie es weitergeht?«, fragte Elidar, um ihn etwas abzulenken. »Wir werden mit Ruis Karawane reisen, und wir treffen ihn in Settenberg. Dort ist ein ruhiges Gasthaus, in dem wir bequem auf ihn warten können.«
»Das ist schön«, murmelte Morgenblüte.
»Ihr beide reist als Vater und Tochter«, erklärte Elidar.
Sao-Tan riss die Augen weit auf und machte eine abwehrende Handbewegung. »Nein, nein«, rief er. »Das geht nicht! Auf keinen Fall!«
Elidar sah ihn verwundert an. Diese heftige Reaktion sah dem Leibwächter gar nicht ähnlich.
»Ich konnte euch schlecht als Prinzessin Morgenblüte und ihren Leibwächter einführen«, sagte Elidar geduldig. »Es war so schon schwierig genug, Rui dazu zu bringen, dass er uns mitnimmt. Die Stadt schwirrt vor Gerüchten.«
Sao-Tan schüttelte immer noch den Kopf. »Nicht ihr Vater«, sagte er. »Das geht nicht, Elidar. Der Vater meiner Herrin ist seine kaiserliche Heiligkeit, der 122. Dyen-Shu, der auch der Vater seiner kaiserlichen Heiligkeit, des 123. Dyen-Shu ist.« Er legte die Hand auf seine Brust und verneigte sich, dass sein Zopf auf den Boden schlug.
»Lass es gut sein, Sao-Tan«, mischte sich die Prinzessin ein. Der Wein hatte ein wenig Farbe in ihr bleiches Gesicht gebracht. »Mein Vater hat unzählig viele Kinder und die wenigsten sind von ihm. Also mach darum nicht so ein Getue, hörst du?«
Elidar sah Morgenblüte verblüfft an. Noch nie zuvor hatte sie aus ihrem Mund Worte gehört, die ihre hochedle, nahezu göttliche Abkunft infrage stellten.
Sao-Tan japste und schloss die Augen. »Prinzessin«, protestierte er schwach.
»Du bist ein Snob, Sao-Tan«, sagte sie, und es klang merkwürdig fröhlich. »Gewöhne dich besser an den Gedanken, dass deine heilige Herrin nun nicht mehr wert ist als das letzte Küchenmädchen am Smaragdenen Hof. Wir sind elende Flüchtlinge, mein ehrenwerter Vater.«
Sao-Tan starrte sie mit hervorquellenden Augen an. »Ihr entschuldigt mich«, sagte er endlich und stand hastig auf. Er vollführte eine abgehackte Verbeugung und rannte beinahe aus dem Zimmer.
Elidar sah ihm sprachlos nach. »Was hat er?«, fragte sie schließlich.
Morgenblüte schloss die Augen und seufzte leise. »Es ist schwer für ihn. Seit ich denken kann, dient er mir, und vor mir meiner Mutter. Das, was jetzt mit uns geschieht, ist für ihn beinahe noch schlimmer als für mich.«
Elidar schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube, dahinter verbirgt sich noch mehr«, murmelte sie. Aber dann vergaß sie Sao-Tan und sein sonderbares Benehmen und nahm Morgenblütes Hand. »Lass mich sehen«, sagte sie.
Die Prinzessin blickte ihr voller Vertrauen in die
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