Elidar (German Edition)
ihn sagen. »Ich habe Euch unwissentlich beleidigt. Straft mich nicht zu hart, Ewige!«
»Sao-Tan«, rief Elidar erschrocken aus und sprang auf. Sie eilte an seine Seite. »Bist du verletzt?«
Er hob den Kopf. »Nein. Ich bin wohlauf.«
Sie sah, dass der Ärmel seines Kaftans versengt war und griff nach seinem Arm. Er zog ihn weg. »Lass. Ich bin nicht verletzt.«
Ach«, rief sie ärgerlich. »Ich sehe es doch. Lass mich dir helfen!«
»Nein«, wiederholte er stoisch. »Das ist das Mal der Göttin. Ich trage es mit Stolz.«
»Rede kein dummes Zeug«, fuhr Elidar ihn an. Die Sorge ließ ihre Stimme schärfer klingen als beabsichtigt. »Ich habe dich verletzt, weil ich meine Kräfte immer noch nicht unter Kontrolle habe. Es war meine Schuld und meine Schwäche, nicht mehr und nicht weniger. Du trägst schon viel zu viele Narben, die ich dir beigefügt habe!«
»Rede nicht so.« Er stand hoch aufgerichtet vor ihr. Sein Gesicht erschien im Mondlicht wie aus Marmor gemeißelt. »Jede Narbe, die die Göttin ihrem Schwertmann schenkt, ist ein Ehrenmal.«
»Sao-Tan«, sagte sie erschöpft. »Dies ist nicht eure Drachengöttin, sondern eine Kraft, die ich nicht erklären kann, und die auch Morgenblüte Rätsel aufgibt. Ich habe Angst, Sao-Tan. Nicht um mich - um dich!«
Er kniete ohne Hast neben ihr nieder und nahm ihr Gesicht zwischen seine großen Hände. »Wenn die Göttin mein Leben will, wird sie es nehmen. Fürchte nichts, meine Gefährtin. Ich bin stark.«
»Das weiß ich.« Sie drückte ihre Lippen gegen seine Handfläche. »Aber es ist nicht nötig, dass du Schmerzen erduldest. Lass mich die Verletzung sehen, Lieber.«
Er seufzte und überließ ihr seinen Arm. Sie streifte behutsam den Ärmel hoch. Mit einem schnellen Blick zum beinahe vollen Mond griff sie in die Luft, schöpfte eine Handvoll des blassen Silberlichtes und goss es über die nässende Wunde. Sao-Tan sog scharf die Luft ein.
»Nein, es schmerzt nicht«, beruhigte er sie, als er ihren besorgten Blick auffing. »Meine Seele zittert nur immer noch, wenn sie sieht, was du zu tun vermagst.«
»Sag deiner Seele, sie möge sich beruhigen«, murmelte Elidar unzufrieden. »Ich erwarte erst dann Beifall, wenn ich dies hier ohne die Hilfe des Mondes tun kann.«
Die Wunde schloss sich und hinterließ eine blassrote, haarlose Stelle, die ein wenig glänzte. »Narbe«, sagte Elidar mutlos. »Du bekommst die Narbe, die du dir so sehr gewünscht hast, Mann des Schwertes.«
»Ich danke dir«, erwiderte er ernsthaft.
Sie schlug spielerisch nach ihm. »Du musst dich nicht auch noch über mich lustig machen. Geh, Sao-Tan. Spring vom Dach!«
Er stand auf, ohne eine Miene zu verziehen, verbeugte sich und stieg auf die Balustrade. Sie sah ihm ungerührt zu, und regte auch keinen Muskel, als er sprang.
»Ich weiß, dass dort ein Mauervorsprung ist«, sagte sie schließlich laut. »Komm, mein Held. Ich bin müde. Lass uns hineingehen.«
Sein Kopf tauchte über der Balustrade auf. Er lachte und zog sich wieder zurück aufs Dach. »Gehen wir schlafen. Morgen ist Vollmond.«
»Morgen«, bestätigte sie und schauderte. »Ach, Sao-Tan, ich fürchte den Mond mit jedem Mal mehr.«
»Fürchte nichts, meine Herrin.« Er nahm ihre Hand und geleitete sie zur Leiter. »Wenn die Göttin mich zu sich ruft, werde ich mit Freude gehen.«
Sie schüttelte wortlos den Kopf und folgte ihm hinunter ins Haus.
Der Morgen dämmerte rötlich und versprach einen weiteren glutheißen Tag. Sao-Tan lag auf dem zerknitterten Laken, eine dünne Decke über sich geworfen, und atmete leise und tief.
Elidar hatte lange gegen die Wand gelehnt im Bett gesessen und den Schlafenden betrachtet. Dann hatte sie leise das Büchlein hervorgeholt, um im Mondschein zu lesen.
Als der Mond unterging, saß sie am Fenster und blickte hinaus. Struppige Sandraben hüpften durch die Gosse, zankten miteinander und pickten auf, was an Essbarem im Unrat zu finden war. Ein magerer Hund rannte über die Straße, er verfolgte eine nicht minder magere Ratte. Später schob ein Händler seinen Karren vorüber, die Räder ratterten laut und quietschten. In der Ferne brüllten Dakhs, die zum Basar getrieben wurden. Ein Hahn krähte.
»Du hast wieder nicht geschlafen.«
Sao-Tan war aufgewacht, er stützte sich auf die Ellbogen und gähnte.
»Ich schlafe nicht«, erwiderte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut. Ich kenne solche Zeiten. Es macht dich verrückt, wenn du zu lange wach bist.«
Sie stand
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