Elidar (German Edition)
auf. »Ich mache uns Frühstück. Bleib liegen, ich bin an der Reihe!«
»Der Junge kommt heute Abend.« Sie wischte den Teller mit dem Rest Brot ab. Vom Nachtmahl waren noch genug Reste für ein üppiges Frühstück übrig geblieben. Sie trank von dem bitteren Cha'fai. »Der Junge, der Ibram die Börse gestohlen hatte.«
Sao-Tan verzog das Gesicht. »Das hat ihn getroffen«, sagte er verständnisvoll. »Der kleine Hund ist ein sehr stolzer Mann.«
»Ist er das?« Sie sah ihn einen Moment lang nachdenklich an. »Ja, wahrscheinlich hast du recht. Wie so oft.«
»Und der Junge?«
»Er hat nicht nur Ibram die Börse gestohlen, er hat sie auch benutzt. Und er hat mir Widerstand geleistet, als ich das hier mit ihm machte.« Sie griff mit Geistfingern nach Sao-Tan und zog ihn zu sich, um ihm einen Kuss zu geben.
»Dummer Junge«, sagte Sao-Tan. Elidar lachte und gab ihm einen Knuff.
»Die Börse zu benutzen ist schwierig?«
»Unmöglich«, erwiderte Elidar. »Ich habe Ibram dazu ermächtigt, aber für die Übertragung war eine längere Sitzung nötig, nach der du mich mit dem kleinen Finger hättest umstupsen können.«
Sao-Tan nickte. »Also hat er Kräfte.«
»Die hat er. Aber er weiß es nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Und etwas ist seltsam mit dem Kind. Es erinnert mich …« Sie verstummte.
»Erinnert dich?«, fragte Sao-Tan nach einer Weile, aber als Elidar nicht antwortete, fragte er nicht weiter.
Er stand auf. »Da ich schon einmal hier bin, erledige ich ein paar Einkäufe.«
Elidar blickte zu ihm auf. »Warum schickst du mir keine Nachricht?«, fragte sie vorwurfsvoll. »Ich kann Ibram jederzeit bitten, euch etwas zu bringen. Morgenblüte soll keinen Mangel leiden.«
Sao-Tan verharrte. »Sie leidet nicht«, sagte er. »Natürlich trauert sie immer noch um ihre Söhne, aber auch dieser Schmerz lässt nach. Ich weiß, dass es unglaublich klingt, aber ich habe sie noch nie so zufrieden erlebt, seit ich sie kenne.« Er neigte den Kopf. »Und ich kenne sie seit ihrer Geburt«, setzte er leise hinzu.
Elidar musterte ihn mitfühlen. »Alles hat sich geändert, oder?«
Er legte die Hände zusammen. »Sehr vieles«, bestätigte er ernst. »Sie sieht mich mit anderen Augen, glaube ich.«
»Nicht mehr als ihren Bediensteten«, murmelte Elidar. »Einer der treuesten, einer der ältesten. Aber jetzt … was bist du jetzt für sie?«
»Ich bin Malandakay.« Er klang ein wenig bitter. »Ich erinnere sie an das, was sie verloren hat. Und obwohl sie zufrieden ist, zufriedener denn je, bin ich ein Stein in ihrem Schuh. Ich erinnere sie an ihre toten Söhne und an ihre verlorene Stellung.« Er seufzte.
Elidar schüttelte den Kopf. »Sag es ihr.«
»Nein.« Er klang bestimmt. Er schien selbst schon darüber nachgedacht zu haben.
»Sie ahnt es doch.« Elidar ließ nicht nach. »Oder sie weiß es und will es nicht zugeben. Das ist doch albern.«
»Nein. Sie ist Nyimaganyi-Chun, Prinzessin des Smaragdenen Hofes, Tochter des 122. Dyen-Shu, Schwester Seiner kaiserlichen Heiligkeit, des 123. Dyen-Shu von Malandakay. Ich kann ihr das nicht auch noch nehmen.«
»Das tust du nicht«, sagte sie heftig. »Sie selbst hat gesagt, dass ihr Vater viele Kinder hatte und bei weitem nicht alle von ihm …«
»Die anderen«, unterbrach er sie. »Die anderen. Nicht sie! Nicht meine Prinzessin!«
»Satt'kas Hölle«, fluchte sie. »Sao-Tan, ihr Vater zählte gute siebzig Equils, als Morgenblüte zur Welt kam! Ihr Bruder ist vierzig Equils älter als sie! Sie kann doch nicht ernsthaft glauben …«
»Doch, das kann sie.«
Elidar gab auf. »Den Dickkopf hat sie von dir«, murmelte sie.
»Von ihrer Mutter«, entgegnete er und lächelte.
Elidar verbrachte den Tag in ihrem Studierzimmer. Sie rekapitulierte die Seiten des Büchleins, das sie in der Nacht gelesen hatte. Seit Morgenblüte ihr gesagt hatte, wie es zu lesen sei, hatte Elidar jede Mondnacht, die ausreichend Licht bot, genutzt. Es war ein schmales Buch, und dennoch schien sich sein Inhalt auf merkwürdige Art zu vermehren oder zu ändern. Nie fand sie eine Passage wieder, die sie ein zweites Mal lesen wollte. Deshalb bemühte sie sich, das Gelesene gut einzuprägen, auch wenn sie es nicht verstand.
»Drachenlicht«, sagte sie halblaut. »Wenn ich doch nur in der Lage wäre, es zu erzeugen!« Morgenblüte hatte es ihr geduldig immer wieder gezeigt, aber sie wollte und wollte diesen Zauber nicht meistern. Er erschien so leicht, und die Prinzessin hatte ihr
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