Elidar (German Edition)
meinem Burschen«, hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung sagen.
Hinter Luca erklang ein erschrecktes »Hu«, dann polterte etwas zu Boden. Wasser platschte über den Rand des Bottichs und spritzte gegen Lucas Beine. Er schreckte herum.
»Oh«, sagte er. Und nochmal »Oh«.
Elidar war halb aus dem Bottich geklettert, stand erstarrt da und umklammerte das Badetuch. Schwarze Augen in einem totenblassen Gesicht flehten Luca an.
Der Gardist drehte sich hastig wieder um und räusperte sich. »Du hättest etwas sagen können«, murmelte er, als er sich seiner festen Stimme wieder sicher war. »Wenn uns hier jemand erwischt … Ich wäre hinterher nicht mehr derselbe.« Er versuchte ein Lachen, das ein wenig krächzend ausfiel. Hinter ihm trocknete Elidar sich hastig ab.
»Lauf jetzt nicht weg«, sagte Luca. »Ich bringe dich raus. Keine Sorge, ich halte den Mund.« Er räusperte sich wieder. »Bist du fertig?«
Ein zustimmendes Geräusch. Luca drehte sich um und öffnete den Vorhang.
Sie gingen zurück zu der Nische mit Elidars Kleidern. Luca stellte sich davor auf und verdeckte mit seinem breiten Kreuz den Blick auf Elidar. »Fertig?«, fragte er nach einer Weile.
»Ja.«
»Dann komm.« Luca legte eine Hand auf Elidars Rücken und schob seinen Schützling zur Halle zurück. »Halt«, sagte er dort. Er fingerte ein paar Münzen aus seinem verknoteten Badetuch und drückte sie Elidar in die Finger. »Geh rüber«, sagte er und deutete mit einem Nicken zum gegenüberliegenden Eingang. »Lass dir von der Badefrau zeigen, wie alles geht. Wenn der Rufer das Abendgebet anstimmt, treffen wir uns wieder hier in der Halle, ja?« Er lächelte. »Ich brauche nach dem Bad immer ein kleines Abendessen.«
Elidar zögerte. Dann leuchtete das blasse Gesicht auf. »Danke.«
Luca sah zu, wie das magere Kind ohne zu zögern die Halle durchquerte und sich unter die schwatzenden und lachenden Mädchen und Frauen mischte. Er erhaschte noch einen kurzen Blick auf eine schmale Gestalt mit hocherhobenem Kopf, die durch den Eingang der Frauen trat, dann war Elidar verschwunden.
Luca blieb noch eine Weile nachdenklich im Eingang zum Männerbad stehen. »Was mache ich hier eigentlich?«, fragte er sich schließlich laut und erntete dafür einen befremdeten Blick eines älteren Yasemiten. Er lächelte dem Mann zu, zuckte mit den Achseln und betrat das Bad. »Eine Massage bist du mir schuldig, Jabir, altes Klatschmaul«, murmelte er. »Mal sehen, was für einen Bären ich dir jetzt aufbinden muss.«
Zur verabredeten Stunde wartete Luca vergebens auf Elidar. Er setzte sich auf eine Ruhebank, senkte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
Den neugierigen Bademeister hatte er ruhig gestellt, indem er ihm ein paar Münzen »für seine Mühe« in die Hand gedrückt und ihm versichert hatte, wie hoch er sein schweigsames Wesen und seine zurückhaltende Art schätzte. Jabir war ein Klatschmaul, aber er wusste auch, wann es besser war, zu schweigen. Kein Yasemit legte sich mutwillig mit der Garde des Statthalters an, niemand mit klarem Verstand wollte es riskieren, sich einen ›Unsterblichen‹ zum Feind zu machen.
Luca wartete, bis der Abendruf wiederholt wurde. Dann stand er auf und ging. Elidar hatte ihn offensichtlich versetzt.
»Dummkopf«, schimpfte er stumm, und wusste nicht recht, ob er damit Elidar meinte oder sich selbst.
Er kehrte zurück in sein Quartier und vergaß Elidar.
6
E s waren unruhige Zeiten für das Reich. Ledon herrschte seit Langem über den größten Teil der bekannten Welt, und eine nahezu unüberschaubare Zahl von Soldaten, Offizieren, Gardisten und Beamten im Dienste der Verwaltung waren damit beschäftigt, die Ruhe und Ordnung im groß-ledonischen Herrschaftsgebiet aufrecht zu erhalten.
Es gehörte zu den Eigenheiten des Imperiums, dass sich von Zeit zu Zeit Patrizierhäuser miteinander zerstritten. Dieses Mal waren sogar mehrere der bedeutendsten Häuser in diesen Streit verwickelt, und das brachte die Strukturen des Reiches zum Erzittern.
Yasaim gehörte jedoch zu den Randgebieten des ledonischen Imperiums. Seine Bewohner wurden kaum von den Wirren und Unruhen in der fernen Hauptstadt des Reiches berührt.
Der ledonische Statthalter Maurus war ein fülliger, phlegmatischer Mann, der nun schon seit beinahe zwanzig Equils im vormaligen Scha’Yassim Serail residierte.
Maurus, Sohn eines der unbedeutenderen Patrizierhäuser, war als junger Mann nach Yasaim geschickt worden. Er war dankbar
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