Elidar (German Edition)
zu den Quartieren der Garde.
»Ho«, grüßte ihn sein Stubennachbar Otho. Er stand im Gang und lockerte die Riemen seines Brustpanzers. »Hast du auch Freiwache? Würfeln wir eine Runde?«
»Nein, habe gerade eine Doppelwache geschoben.« Luca klemmte den Helm unter den Arm und fuhr sich mit den Fingern durch das schweißfeuchte Haar. »Brauche ein Bad und ein Bett.«
»Allein?« Otho zwinkerte anzüglich.
Luca grinste. Er war mit einem Mal steinmüde. Ein Bad? Nein, nur ein Bett. »Allein«, erwiderte er. »Leider.«
Luca erwachte erfrischt irgendwann in der Morgendämmerung. Die sonst so trockene yasemitische Luft war noch taufeucht und roch süß. Luca steckte seinen Kopf in den Waschzuber, schüttelte ihn und genoss die kalten Tropfen, die auf seine Schultern und seinen Rücken fielen. Nach der Doppelwache hatte er einen ganzen Tag frei, also konnte er jetzt in die Stadt gehen, ein Frühstück in einer der Garküchen zu sich nehmen und dann vielleicht den Besuch im Badehaus nachholen, von dem er gestern geträumt hatte.
Luca pfiff leise vor sich hin. Er wählte den leichten Brustpanzer und das kurze Schwert und verzichtete auf seinen Helm, obwohl er damit gegen die Regel verstieß, nach der Mitglieder der Garde sich außerhalb des Serails ausschließlich in voller Montur zu bewegen hatten.
Als letztes legte er sich die Jason-Medaille um den Hals, die er schon lange nicht mehr getragen hatte. Heute war sie ihm in die Hand gefallen, als er ein sauberes Hemd aus der Truhe zog. Er hatte sie zuerst zurücklegen wollen, aber dann dachte er an die Frau, die sie ihm gegeben hatte, an ihre mitternachtsdunklen Augen und die Aprikosenhaut, den zarten Duft nach exotischen Blüten, der ihrem Haar entstieg. Er lächelte und zog die Kette über den Kopf.
Heiß und trocken. Wie sehr war er es leid. Die Nächte hier waren eine um die andere kalt und klar, und die Tage einer wie der andere heiß und trocken. Er sehnte sich nach ein bisschen Wetter, sogar nach der drückenden Schwüle, die einem Gewitter voranging oder einem nebligen Wintertag, bei dem die Nase sich rötete und alles am Leib klamm und feucht war. Das Knirschen von Schritten im Schnee, das Knistern des klirrenden Frostes, die sanfte Berührung des Frühlingsregens, Matsch unter den Stiefeln, Salzwasser, das auf der Haut trocknete und die Kleider weiß verkrustete … Er trat aus dem Schatten des Tordurchgangs in das blendende Sonnenlicht, das sich auf den lehmgelben und blau gestrichenen Wänden der Häuser brach, und seufzte. Es war ein trockener, heißer Tag. Was für eine Überraschung.
Auf dem Weg zum Basar lief eine Schar zerlumpter Kinder an ihm vorbei, lachend, schreiend und sich schubsend. Er fragte sich, ob das seltsame Mädchen - wie hatte sie nur geheißen? - auch mit einer solchen Gruppe unterwegs sein mochte. Luca hatte sie seit der Episode im Badehaus nicht wieder gesehen. Überall in der Stadt lebten Bettlerkinder, und meistens waren sie zu zweit oder zu dritt unterwegs. Schutz vor Erwachsenen, die ihnen Böses wollten? Freundliche Gesellschaft in einem Leben, das ansonsten wenig Freundliches bereit hielt? Das Mädchen war allein unterwegs gewesen. Vielleicht gab sie sich deshalb als Junge aus.
Seine bevorzugte Garküche stand heute nicht an ihrem gewohnten Platz. Luca drehte sich ein wenig verloren um die eigene Achse. Heiße Teigtaschen mit würziger Hackfleischfüllung schwebten als verführerische Phantome über seine Zunge und ließen den Speichel fließen. Ein kühler Gurkensalat. Fruchtig scharfe Getreidebällchen, scharf ausgebacken. Leicht angebrannt riechende und köstlich schmeckende Hühnerflügel, mehr Knochen als Fleisch und scharf wie die Hölle. Ingwerparfümiertes, gebratenes Gemüse. Sanft-zimtige Fischstückchen in weißer Tunke, die am Gaumen zerschmolzen … Wo, bei allen Höllenhunden, war die Betreiberin dieser Küche? Was trieb sie, ausgerechnet heute, an seinem freien Tag?
Luca wanderte die Gasse hinunter, tiefer in den Basar hinein. Er hielt sich lieber in den Randgebieten des Gewimmels auf. Die Enge der Gassen und das Drängeln und Schieben der bunt gekleideten Yasemiten nahm ihm den Atem. Im sonnengesprenkelten Halbdunkel zwischen den Buden schrillten die hellen und kehligen Stimmen der Frauen, Singen, Lachen und Schimpfen, Ziegenmeckern, das Klirren von Metall, Scheppern von Tongeschirr und dumpfe Hammerschläge auf Holz oder Leder. Dick wie ein Teppich legten sich Gerüche über alles und machten das Atmen
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