Elidar (German Edition)
zögernd. »Er ist ein Zauberer. Er wird es merken.«
»Casarius Sturm ist kurzsichtig wie ein Huhn«, sagte Morgenblüte. »Zauberer sind nicht allwissend. Und diese Empfehlung kommt immerhin von der Zweitfrau des Kurators!« Sie hob hochmütig das Kinn, aber ihre Augen lachten. »Was ist, kleine Hexe? Hast du Mut? Es gibt keinen anderen Weg für dich, ein Zauberer zu werden.«
Elidar schluckte. »Gebt mir den Brief und weist mir den Weg
zum Orden«, sagte sie und streckte die klebrige Hand aus.
»Nein«, rief Morgenblüte und breitete die Arme aus. »Ich
weiß etwas viel Besseres. Sao-Tan - du bringst Elidar hin.« Der große Mann erhob sich.
Die Prinzessin hielt Elidar am Ärmel fest. »Komm her, so lasse ich dich nicht vor die Augen der gestrengen Magnifizenz treten.« Sie nahm ein Tüchlein aus dem Ärmel, tauchte es in den erkalteten Tee und wischte damit Elidars Mund sauber. »Deine Finger«, befahl sie.
Schließlich musterte Morgenblüte sie kritisch. »So wird es gehen. Niemand erwartet, dass ein Stallbursche nach Rosen duftet.« Sie richtete sich hoheitsvoll auf. »Wenn sie dich aufnehmen, erwarte ich, dass du dich regelmäßig bei mir meldest. Ich will alles wissen, was du dort erfährst. Das ist mein Preis für meine unbezahlbare Hilfe. Und jetzt … nein, warte!«
Sie blickte sich suchend um. »Sao-Tan, hilf mir. Wo habe ich mein Kästchen hingetan?«
Der Leibwächter griff unter einen niedrigen Tisch, der unweit des Kamins stand, und holte ein lackiertes Kästchen hervor, das er der Prinzessin reichte.
»Danke«, sagte sie zerstreut. »Kleines, gib mir die Medaille zurück. Du glaubst doch nicht an Jason, oder?«
Elidar zog die Kette aus dem Hemd und zögerte. Das war Lucas Geschenk, und es widerstrebte ihr, es wegzugeben. Morgenblüte hob erstaunt den Kopf. »Was ist?«
Elidar umklammerte die Medaille mit der Faust. Die Prinzessin zog die Brauen zusammen.
»Diese Medaille habe ich Luca gegeben, als er nach Yasaim ging«, erklärte sie. »Sie wird dir nichts nützen, und ich brauche sie. Nun komm schon. Du bekommst etwas Anderes im Tausch dafür.«
Elidar zögerte noch immer. Morgenblüte spitzte die Lippen. »Sao-Tan«, sagte sie knapp.
Der große Mann beugte sich vor, bog Elidars Finger auseinander, als wären sie aus weichem Teig, und nahm ihr die Medaille ab. Er reichte sie mit einer Verbeugung der Prinzessin und zog sich wieder zurück.
Elidar rieb sich die Finger. Er hatte ihr nicht wirklich weh getan, aber der Verlust der Medaille schmerzte sie.
»Schau nicht so unglücklich drein«, sagte Morgenblüte munter. Sie öffnete das Lackkästchen und wühlte darin herum. »Sieh mal, das ist doch viel schöner.« Sie hielt einen winzigen, silbernen Anhänger hoch, aber bevor Elidar ihn sich ansehen konnte, hatte Morgenblüte ihn mit der Hand umschlossen und beugte sich darüber. Elidar hörte sie leise, fremdartige Worte füstern. Ein Zauber? War das ein Zauber? Sie rückte aufgeregt näher.
Endlich hob Morgenblüte den Kopf und seufzte erschöpft . »Du bist schwierig«, sagte sie. »Aber ich habe es geschafft. Hier.« Sie reichte Elidar den Anhänger.
Diese betrachtete ihn neugierig. Es war ein wunderschön detailliert gearbeiteter Drache mit roten Augen. Aus seinem winzigen, geöffneten Maul schienen Flammen zu schlagen, und sein gezackter Schwanz war über den Rücken hochgebogen wie der eines Skorpions. Elidar blickte auf. »Wie wunderschön«, sagte sie atemlos.
Morgenblüte, die sich in die Kissen ihres Ruhebettes hatte zurücksinken lassen, nickte matt. »Das stammt aus meiner Heimat«, sagte sie. Sie griff nach der zierlichen Pfeife und reichte sie Sao-Tan, der sie aus einem silbernen Topf befüllte. »Der große Drache des Sonnenuntergangs. Er hat Macht, kleine Hexe, und ich glaube, über die wirst auch du einst verfügen.« Sie schloss die Augen. »Denk daran, ich erwarte dich zum regelmäßigen Rapport. Frag den Pförtner nach Sao-Tan.« Sie streckte die Hand aus, und der Leibwächter legte die Pfeife hinein.
»Gehen wir«, sagte er leise und schob Elidar zur Tür, ohne dass sie sich noch bei Morgenblüte bedanken oder von ihr verabschieden konnte.
13
S ao-Tan schwieg während er sie quer durch Cathreta führte. Sie erklommen den kleinen Hügel, der zwischen dem Palatium und dem Fluss lag, und gelangten so in einen Teil der Stadt, der Elidar noch unbekannt war.
Hier hätte sie jedenfalls keinen Magierorden vermutet, dachte Elidar und bestaunte die Villen und
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