Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
es nicht. Du hast ja die Erklärungen des Chefs der Sicherheitspolizei selbst gehört. Er hofft, dass jetzt Hinweise auf den Täter eingehen. Aber das kann nicht der einzige Grund gewesen sein.«
»Und was glaubst du?«
»Ich weiß nicht. Da ist etwas im Gange, und wir dürfen nicht mitspielen.«
»Was sollen wir tun?«
»Die Ermittlungen einstellen. So kann es schließlich nicht weitergehen. Wir sind angeschmiert. Du, Enquist, Svalberg und ich. Was aus Bäckman und Jönsson wird, weiß ich nicht. Wir müssen morgen ausführlicher darüber reden, Elina. Ich komme gegen halb acht.«
Elina stand vom Sofa auf. Sie zitterte. Sie ging ein paar Schritte aufs Schlafzimmer zu, hielt dann aber inne. Es war besser, Emilie erst einschlafen zu lassen.
Eine halbe Stunde später wurde Elina ungeduldig. Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Es war Agnes Khaled. »Treffen? Möglichst sofort!«
Elina suchte ein Stück Papier und einen Stift und erklärte Susanne, weshalb sie überstürzt aufbrechen musste.
Zum Brogården waren es nur ein paar Schritte quer über die Straße. Auf dem Weg traf sie bereits Agnes Khaled, die aus der entgegengesetzten Richtung kam und es von der Länstidningen auch nicht weit gehabt hatte.
Sie setzten sich an einen Tisch ganz hinten im Kellergewölbe des Restaurants. Agnes Khaled begann:
»Ich glaube nicht daran. Ich glaube nicht, dass Jamal in irgendwelche Terroraktivitäten verwickelt war.«
»Sie kannten ihn doch gar nicht.«
»Nein, aber ich kenne viele Palästinenser in Schweden. Ich habe nach dem Fernsehbeitrag mit einigen telefoniert. Nicht wenige haben Kontakt zu Organisationen in Palästina. Keiner meiner Freunde hat je von Jamal gehört. Außerdem existiert in Schweden kein palästinensischer Terrorismus, der diesen Namen verdient hätte. Es gibt Leute, die die Hamas und den islamischen Dschihad unterstützen, aber nur ideologisch, und wenn praktisch, dann nur mit Geld. Palästinenser arbeiten nicht so. Überlegen Sie doch mal, was hätte Jamal hier schon groß ausrichten können?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer.«
»Soll das heißen, dass Sie nicht wissen, worauf sich die Verdachtsmomente gegen ihn beziehen? Also ganz konkret? Das würde ich gerne wissen.«
»Nein. Das ist bei dieser Ermittlung auch nicht mein Gebiet. Aber ich habe auch ein paar Fragen an Sie.«
»Okay. Und zwar?«
»Die Israelis? Töten sie ihre Gegner im Ausland?«
Eine Kellnerin servierte zwei Tassen Kaffee, eine Tätigkeit, die Elina so absurd normal vorkam, dass sie zusammenzuckte, weshalb ihr der Kaffee in die Untertasse schwappte. Agnes Khaled, die die Ellbogen auf den Tisch aufgestützt hatte, lehnte sich zurück, um Platz für ihre Tasse zu machen.
»In Norwegen ist das 1973 einmal vorgekommen«, fuhr Agnes Khaled fort. »Eine ungewöhnlich stümperhafte Aktion. Die Israelis hatten sich in der Person geirrt. Ihnen fiel ein vollkommen unschuldiger marokkanischer Einwanderer zum Opfer. Palästinenserführer im Exil hatten sie vor dem Oslo-Vertrag von 1993 ebenfalls auf dem Kieker. Seither ist aber, soweit ich weiß, außerhalb des besetzten Palästinas nichts mehr in dieser Art vorgekommen. Das spricht also gegen die Israelis als Täter.«
»Und die Palästinenser selbst?«
»Nein. So was ist nicht mal in Palästina passiert, vielleicht einmal abgesehen von lokalen, internen Machtkämpfen. Sie haben genug mit ihren eigenen Problemen zu tun. Warum sollten sie sich ausgerechnet um zwei Leute in Schweden kümmern?«
»Aber falls Jamal und Ahmed Qourir …«
»Heißt er so?«
»Ja. Wenn die beiden nun ihre Organisationen verraten haben?«
»Nein. Es gibt zumindest bislang keine solchen Morde im Ausland. Die Kurden haben solche Morde begangen, aber nicht die Palästinenser.«
»Irgendwann ist immer das erste Mal«, meinte Elina. »Es spielt also kaum eine Rolle, was Sie oder ich glauben. Das Wichtigste ist, was es für Fakten in dieser Angelegenheit gibt.«
»Gestatten Sie mir zu bezweifeln, dass Sie je irgendwelche Fakten zu Gesicht bekommen werden.«
Elina verspürte Unbehagen. Hatte John Rosén Recht damit, dass hier ein Spiel gespielt wurde, in dem sie nicht einmal zum Bauernopfer taugten? Sie nahmen am Geschehen nicht teil, sondern blieben vollkommen außen vor. Weshalb unterhielt sie sich eigentlich mit einer Journalistin darüber? Agnes Khaled riss sie aus ihren Gedanken.
»Das Video war wirklich brutal. Aber wir werden trotzdem ein Bild daraus auf der ersten Seite
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