Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
abbilden. Und zwar das von den Füßen des Mörders. Das wird in allen Zeitungen abgebildet sein. Daneben ein Text, dass es Annika Lilja fast gelungen wäre, ihren eigenen Mörder zu filmen. Ich vermute, dass die Schlagzeile Der tote Winkel lauten wird.«
12. KAPITEL
Agnes Khaled behielt Recht. Das Bild von den rennenden Füßen des Mörders dominierte die erste Seite aller überregionalen Zeitungen. Eine von ihnen, eine Abendzeitung, hatte die Schlagzeile Der tote Winkel gewählt. Die anderen titelten mit Schockierende Bilder, Annikas Foto von ihrem Mörder oder Die Sekunden vor dem Mord.
Die Länstidningen hatte die Schlagzeile Ein Bild schockiert Schweden. Es war allerdings nicht Agnes Khaled gewesen, die den Artikel geschrieben hatte. Sie hatte einen kritischen Kommentar zum Auftritt des Sicherheitspolizeichefs in den TV4-Nachrichten am Vortag verfasst.
Elina betrachtete das Bild, während sie einen Joghurt aß. Die Reproduktion des Video-Standbilds war undeutlich. Genauso musste es gewesen sein: ein erstarrter, aber unbegreiflicher Augenblick des Schreckens.
Elina schaltete das Radio ein. Auf Kanal P1 wurde heiß diskutiert: Leute, deren Namen sie noch nie gehört hatte, sprachen darüber, welche Auswirkungen jetzt wohl zu erwarten seien, da das schwedische Fernsehen zum ersten Mal einen Snuff-Movie oder so etwas Ähnliches gezeigt hatte. Elina wusste nicht, was der Ausdruck bedeutete, begriff aber allmählich, dass es sich dabei um ein Video handelte, in dem Menschen real getötet wurden. Verwerflich. Brutalisierung. Öffnet der Manipulation Tür und Tor. So drückte sich eine Frauenstimme aus. Der Moderator fragte: Was bezweckt denn diese Manipulation? Die Frauenstimme antwortete: Dass wir die Botschaft der Polizei schlucken.
Die Sonne stand hoch am Morgenhimmel, als Elina das Haus verließ und in die Lidmansgatan einbog. Das Laub der Bäume am Hang rötete sich. Noch konnte sie frei durchatmen. Sie wusste jedoch, dass der Tag äußerst anstrengend werden würde.
Zu ihrem Erstaunen traf sie bei John Rosén im Büro Egon Jönsson an. Elina war davon ausgegangen, dass sich nur der Teil der Mordgruppe treffen würde, der sich übergangen fühlte, um zu diskutieren, wie man weiter vorgehen sollte.
»Setz dich«, sagte Rosén. »Egon hat einiges zu erzählen.«
»Ich war dagegen, das Video ans Fernsehen weiterzuleiten«, sagte Egon Jönsson.
»Das habe ich gehört«, meinte Elina. »Warum ist es dann trotzdem passiert? Handelt es sich nicht um eine Ermittlung, für die die Polizei Västerås die Verantwortung trägt?«
»Das wollte ich ja gerade erzählen. Die gesamte Ermittlung ist an die Sicherheitspolizei in Stockholm übergegangen. Nur Axel Bäckman wird als Einziger von uns weiterhin involviert sein.«
»Warum ausgerechnet er?«
»Weil es ihm gelungen ist, die Informationen zu beschaffen, die laut Sicherheitspolizei eine Erklärung für die Morde liefern. Aber ehe ich weiter darauf eingehe, muss ich betonen, dass Bäckman absolut dagegen war, das Video zu veröffentlichen. Er meinte, dass das sowohl der Ermittlung als auch dem Vertrauen in die Polizei schaden könnte.«
Elina überlegte sich, warum Egon Jönsson plötzlich mit ihr sprach, als sei ihm ihre Meinung wichtig. Er hatte fast zwei Jahre lang kaum einen Ton zu ihr gesagt. Sie sah ihn an. Der neue Chef wirkte etwas zerknittert.
Vielleicht braucht er jetzt alle Freunde, die er mobilisieren kann, dachte sie. Der Sicherheitspolizei alles abzunicken gab nicht sonderlich viele Punkte.
»Weshalb wurde das Video veröffentlicht?«, fragte sie.
»Diesen Beschluss hat der Chef der Sicherheitspolizei gefasst. Ich weiß nicht, warum.«
»Und diese sogenannte Auflösung des Falls? Worum geht es da?«
»Mir haben sie nicht sonderlich viel gesagt. Bäckman und die zwei von der Sicherheitspolizei ziehen sich immer zurück, wenn sie reden wollen. Aber Bäckman hat angedeutet, worum es geht, als die anderen nicht dabei waren.«
»Ja? Um was?«
»Der Mörder kommt aus dem Nahen Osten. Ein Araber. Die offizielle Version lautet also, dass es sich bei den Morden um eine interne Abrechnung innerhalb einer Terrororganisation gehandelt hat.«
»Du sagst, die offizielle Erklärung! Gibt es noch eine andere?«
»Bäckman hat angedeutet, der Mörder sei eigentlich vom israelischen Sicherheitsdienst beauftragt worden. Diese Aussage ist natürlich wahnsinnig heikel. Schließlich arbeitet die Sicherheitspolizei mit den Israelis zusammen.«
»Die Wahrheit
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