Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
finanzierten. Drei von ihnen hatten längere Zeit im Gefängnis gesessen. Alle hatten im letzten Jahr eine Haftstrafe verbüßt. Sie schrieb sich die Zeiten auf.
Sie nahm die Anzeigen zur Hand, die sie am Vortag aussortiert hatte, alle Eigentumsdelikte, die nichts mit Kellern zu tun hatten. Sie sortierte alle Diebstähle aus, die in Malmaberg verübt worden waren. Autoeinbrüche, Wohnungseinbrüche, Einbrüche in Einfamilienhäuser. Dann suchte sie am Computer nach weiteren ähnlichen Anzeigen, die noch unbearbeitet bei ihren Kollegen lagen. Sie schrieb sich die Adressen aller Tatorte in Malmaberg auf und unterstrich diese, wenn es sich um einen Kellereinbruch handelte. An der Wand hing auf Styropor ein Stadtplan von Västerås. Mit einer Schachtel Stecknadeln mit verschiedenfarbigen Köpfen trat sie darauf zu.
Eine Stecknadel für jeden Tatort. Rote, leuchtende für Kellereinbrüche, diese stellten schließlich ihre Entschuldigung für diese Ermittlung dar. Anderthalb Stunden später bildeten die Stecknadelköpfe einen spärlichen Teppich mit gewissen Verdichtungen. Dann brachte sie an den Adressen der aktenkundigen Einbrecher einen Reißnagel an.
Sie trat einen Schritt zurück, um sich einen Überblick zu verschaffen. Der Reißnagel von Leif-Erik »Hering« Berg lag mitten in einer dichten Ansammlung roter Stecknadeln, die sich wie Fliegen um einen Kuhfladen zu scharen schienen. Sie schaute nach, wann er gesessen hatte, und verglich diese Zeiten dann mit den Daten der Kellereinbrüche. Jedes Mal war er draußen gewesen. Wenn er sich hinter Schloss und Riegel befunden hatte, hatte es keine Kellereinbrüche in seiner Gegend gegeben.
Na, »Hering«, dachte sie. Du bist wirklich ein fauler Hund, etwas weiter hättest du dich bei deinen kleinen Ausflügen schon bewegen können. Bald hast du mich an der Backe. Etwas Beschattung, dann sitzt du bald wieder.
Sie wusste nicht, warum er »Hering« genannt wurde, aber alle Beamten kannten ihn unter diesem Namen. Einstweilen hatte »Hering« vor ihr noch Ruhe, diese Ermittlung würde in polizeilichem Normaltempo verlaufen und Elina damit Arbeitszeit für wichtigere Dinge bescheren. Erst Ende der nächsten Woche würde sie ihm für seine Hilfe danken, indem sie ihn festnahm.
Sie schaute auf die Uhr. Es war Viertel vor drei.
Etwas war noch zu tun. Sie gab drei Namen in den Computer ein. Jakob Diederman. Katarina Diederman. Gregors Nikolajew. Ihre Geburtsdaten, ihre letzten bekannten Adressen. Dann schickte sie die Angaben an Interpol mit einer formellen Anfrage über deren Verbleib während der letzten drei Jahre.
Elina war mit Nadia im angeblich verkehrsberuhigten Stadtzentrum auf der Vasagatan, Ecke Stora Gatan verabredet. Aber Busse, Lieferwagen und Autofahrer, die einfach eine Abkürzung wählten, bewirkten, dass man sich vorsehen musste, wenn man die Fahrbahn betrat. Lichterketten hingen über den Straßen. Die Kreuzung wirkte wie eine Koppel mit einem erleuchteten Zaun, der in der Luft hing.
Nadia traf eine Minute nach Elina mit dem Bus ein. Sie trug die Wildlederjacke, die sie zusammen mit Elina im Herbst gekauft hatte. Sie war teuer gewesen, aber Nadia hatte bezahlt, ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie nahm Elinas Arm und zog sie lächelnd hinter sich her. »Nina zuerst«, sagte sie. »Ich habe eine wahnsinnig schicke Sportjacke für sie entdeckt. Die kann sie beim Skifahren benutzen.«
»Fährt Nina denn Ski?«, wollte Elina wissen.
»Noch nicht. Deswegen dachte ich, dass ich auch gleich ein Paar Ski für sie kaufe. Aber das mache ich später. Die soll ihr Vater bezahlen. Jetzt schauen wir Kleider an.«
Zwei Stunden später saßen sie in einem Café in der Galleria. Die Leute gingen mit roten Paketen oder mit Tüten bekannter Marken und gekleidet in denselben Marken vorbei. Diese Marken hatte Elina auch in Moskau und Riga gesehen.
Elina erzählte von ihrer Lettlandreise und davon, was seit ihrer Rückkehr geschehen war.
»Ha«, meinte Nadia, »dieser Jönsson ist wirklich ein Sonnenschein, fast wie ein Skorpion unter der Bettdecke. Aber du machst es richtig. Lass nicht locker. Zeig es ihnen.«
Elina lachte. Nadias Sicherheit war Stärke und Schwäche zugleich. Meistens jedoch eine Stärke, besonders wenn es Elina betraf. Es half ihr, Entschlüsse zu fassen, die sie dann auf Biegen und Brechen durchsetzte. Manchmal ging es natürlich schief. Für Elina hatte das aber keine Auswirkungen, was ihre Freundschaft mit Nadia betraf. Sie fühlte, dass es Nadia
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