Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
auf jeden Fall noch damit warten, bis wir uns die Akten gründlich angesehen haben.«
»Falls es sich erweisen sollte«, meinte Rosén, »dass Yngve Carlström bei der Migrationsbehörde auch mit den anderen Fällen zu tun hatte, über die die Länstidningen geschrieben hat, wird er zum Mordverdächtigen oder zumindest zum Mitschuldigen.«
»Ich finde, das ist er bereits«, meinte Svalberg. »Ich finde, wir sollten ihn beschatten lassen.«
Rosén sah Elina an. »Das finde ich auch«, meinte sie. »Vielleicht führt er uns ja zu den Diedermans oder zu Gregors Nikolajew.«
»Wir müssen zusehen, dass man uns noch Enquist zuteilt«, sagte Rosén. »Ich werde mit Jönsson darüber sprechen. Ihr drei müsst euch die Überwachung teilen.«
»Ich kann ein paar Extraschichten übernehmen«, meinte Elina. »Carlström wohnt vermutlich in der Gegend von Stockholm. Schließlich arbeitet er dort. Meine Eltern wohnen in Märsta. Ich kann bei ihnen übernachten.«
»Wir sollten damit anfangen, ihn in seiner Freizeit zu beschatten«, meinte Rosén. »Beim Mittagessen und abends. Nach einer Woche können wir dann entscheiden, ob wir die Überwachung verstärken. Lasst uns Montag oder Dienstag anfangen. Spätestens Montag müssten wir die Akten über die fünf anderen Flüchtlingsfälle erhalten.«
»Ich überlege«, sagte Elina, als würde sie laut nachdenken, »ob ich wegen dieser Sache mit Agnes Khaled Kontakt aufnehmen soll.«
»Um sie zu fragen, ob Carlström ihr Informant ist?«, wollte Rosén wissen. »Das geht nicht. Das wäre ein Vergehen, und auch wenn wir irgendeinen Vorwand finden, wird sie uns diese Frage nicht beantworten.«
Es war Freitag Nachmittag, der 5. Dezember. Elina war zum ersten Mal seit langer Zeit wieder guter Dinge. Sie fragte sich, ob das daran lag, dass die Ermittlung Fortschritte machte, und zwar auf eine Art und Weise, die niemand hatte erwarten können. Jönsson hatte gegen die Überwachung von Carlström nichts einzuwenden gehabt. Elina entschloss sich, ihm noch einmal eine Chance zu geben. Sie dachte an Martins Brief. Daran, was er eigentlich wollte. Sie sah vor sich, wie er mit seinen großen, braungebrannten Händen mitten in der Nacht an sie schrieb. Sie sah seine Augen mit den schwarzen Wimpern. Fast meinte sie, seinen Geruch wahrzunehmen. Innerlich verfluchte sie ihre Schwäche.
Heute Abend wollte sie ins Kino gehen, in die Frühvorstellung. Zusammen mit Nadia. Anschließend wollten sie noch in eine Kneipe. Dort würden sie sich dann bis spätabends unterhalten. Elina zog ihre Jacke an und schaltete das Licht in ihrem Büro aus. Als sie den Haupteingang des Präsidiums hinter sich ließ, schneite es leicht. Sie schaute blinzelnd in den Himmel und ging dann auf ihr Auto zu.
Er stand ein Stück weiter die Källgatan hinunter. Er betrachtete Elinas Rücken, als sie auf den Parkplatz zuging. Sie stellte die größte Bedrohung dar, das wusste er. Wenn ihm jemand auf die Schliche kam, dann sie. Er musste sie bremsen, ehe es zu weit ging. Er wollte aber keine unnötigen Risiken eingehen. Er musste im richtigen Augenblick zuschlagen.
Er sah ihr nach, bis ihr Auto in Richtung Ringleden verschwand.
32. KAPITEL
Susanne rief bereits um Viertel vor neun an. Elina streckte die Hand nach dem Wecker aus, bis ihr klar wurde, dass es das Telefon war, das klingelte. Die Flasche Wein, die sie am Abend zuvor getrunken hatte, brachte sich in Erinnerung.
»Gebongt!«, hörte sie Susanne am anderen Ende. Ganz zweifellos war ihre Freundin fitter als sie.
»Was ist gebongt?«
»Das mit dem Haus! Heute unterschreiben wir.«
»Gratuliere«, sagte Elina mit belegter Stimme.
Susanne nannte den Kaufpreis. Elina rang ein wenig nach Luft.
»Man gönnt sich ja sonst nichts … Wann zieht ihr ein?«
Susanne lachte.
»Der Umzug ist am 1. April. Wir warten mit dem Verkauf der Wohnung bis nach Neujahr. Kommst du morgen eigentlich zum Adventskaffee?«
Elina versprach es und ließ ihren Kopf dann wieder aufs Kissen sinken. Sie schaute sich in ihrer Wohnung um. Vielleicht sollte sie ja auch umziehen? Etwas in ihrem Leben verändern? Vielleicht sollte sie ja nach Stockholm zurückkehren? Aber wer würde ihr dort Nadia und Susanne ersetzen?
Das Leben in Västerås war im Grunde gar nicht so schlecht. Sie stand auf und stellte sich unter die Dusche. Anschließend kam sie zu dem Schluss, dass ihr Kopf nicht mit ins Dojo wollte, obwohl ihr Körper sich dorthin sehnte. Stattdessen setzte sie sich an ihren
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