Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
versuchen, ihn bei Laune zu halten, aber das ist schwer.«
»Wie hießen die Leute, die Sie hierher geschmuggelt haben?«, fragte Elina.
»Ich habe ihn bereits gefragt«, sagte Mira. »Wie die Leute in seinem Dorf hießen, weiß er. Aber die Namen der anderen kennt er nicht. Er hat 8000 Dollar bezahlt. Die Tickets sind teuer geworden. Aber er hat Ihnen etwas anderes zu erzählen. Etwas, was Sie vielleicht interessieren wird.«
Sie nickte dem Mann zu und sagte ein paar Worte auf Arabisch. Er begann erneut zu sprechen. Es schien ihn körperlich anzustrengen.
»Er sagt Folgendes«, übersetzte Mira. »Etwa einen Monat nachdem er sich versteckt hatte, kam sein Anwalt zu ihm. Der Anwalt erzählte ihm, ein Mann habe ihn angerufen. Er habe angeboten, ihm zu helfen. Er könne Informationen beschaffen, die bewirken würden, dass er …«
Sie deutete mit dem Kinn auf den Flüchtling auf dem Bett.
»… eine Aufenthaltsgenehmigung erhält. Das würde aber viel Geld kosten.«
»Was geschah dann?«, fragte Elina.
»Nichts. Es verlief im Sand. Wir wissen beide nicht, warum.«
»Erfuhr er, wie das hätte ablaufen sollen?«
Mira übersetzte. Der Mann schüttelte den Kopf.
»Sie müssen mir die Telefonnummer seines Anwalts geben«, sagte Elina an Mira gewandt.
»Damit würde ich seine Identität preisgeben.«
»Was spielt das für eine Rolle? Ich habe versprochen, ihn nicht den Behörden auszuliefern.«
»Okay. Ich verrate Ihnen seinen Vornamen. Yousef. Ich gebe Ihnen später den Namen des Anwalts. Zufrieden?«
Sie blieben noch eine Stunde. Elina lauschte der leisen Unterhaltung Yousefs und Miras, ohne zu fragen, worüber sie sich unterhielten. Als sie das Häuschen verließen, drehte sich Elina noch einmal in der Dunkelheit um. Yousefs Gesicht war gerade noch im schwachen Licht im Fenster zu erkennen.
Der Anwalt hatte seine Kanzlei in Köping. Um neun habe er einen Termin am Amtsgericht, aber falls ihn Kriminalinspektorin Wiik vorher aufsuchen wolle, sei das kein Problem.
Er hatte eine Brille, trug einen Anzug und schien um die vierzig zu sein.
»Was kann ich für Sie tun?«
Elina erzählte, was sie erfahren hatte. Er schwieg einen Augenblick.
»Wissen Sie«, sagte er dann. »Das war das erste Mal, dass ich so ein Angebot erhalten habe. Dass jemand Informationen verkaufen wollte. Ich habe natürlich abgelehnt. In so etwas kann ich mich als Anwalt nicht reinziehen lassen. Aber ich habe meinem Mandanten, also Yousef, davon erzählt, da er vielleicht wusste, um welche Informationen es sich handeln könnte. In diesem Fall hätte ich versucht, sie selbst zu beschaffen. Aber er war ebenso unwissend wie ich.«
»Woher wusste dieser Mann, dass Yousef Hilfe brauchte?«
Der Anwalt lachte. »Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt. Ich habe das auch den Mann gefragt. Ich weiß es einfach, hat er erwidert. Das Ganze war sehr merkwürdig.«
»Wer war das? Hat er einen Namen genannt?«
»Nein. Aber er war Ausländer. Er schien aus dem Nahen Osten zu stammen.«
»Haben Sie ihn später noch einmal gesehen?«
»Nein, ich habe seinen Vorschlag so kategorisch zurückgewiesen, dass er sich nicht nochmals gemeldet hat.«
Elina beugte sich zu ihrer Tasche hinunter, die neben ihrem Stuhl stand.
»Ich habe ein paar Fotos. Kennen Sie eine dieser Personen?«
Sie legte fünfzehn Fotos nebeneinander vor den Anwalt hin. Dieser setzte eine Lesebrille auf.
»Ich werde alt«, meinte er und lächelte.
Er sah sich jedes Foto genau an.
»Das war er«, sagte er und deutete auf eines der Fotos in der Mitte. Elina blieb sitzen. »Wie sicher sind Sie sich?«, fragte sie. »Ganz sicher«, erwiderte er. Elina streckte die Hand aus und nahm das Foto, auf das er gedeutet hatte. Erst als sie das Foto vor dem Gesicht hatte, senkte sie den Blick.
Es war Ahmed Qourir.
31. KAPITEL
Vor Henrik Svalberg lagen 42 Artikel. Ausdrucke aus dem Textarchiv. Alle hatte Agnes Khaled geschrieben. Er las sie in chronologischer Reihenfolge. Die interessanten Angaben unterstrich er sich. Kurz bevor Elina aus Köping zurückkam, war er fertig.
»Jetzt habe ich alle Namen«, sagte er. »Jetzt kann Rosén ohne Schwierigkeiten ihre Akten anfordern.«
»Darf ich sie auch lesen?«, fragte Elina mit möglichst neutraler Stimme. Sie wollte nicht, dass Svalberg merkte, dass sie einfach nur überprüfen wollte, ob er etwas übersehen hatte. »Ich nehm die Artikel mit zu mir. Besprechung anschließend? Ich habe viel zu erzählen.«
Svalberg nickte. Er war der
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