Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
Sie«, sagte Svalberg, »genau, was ich gesagt habe.«
Mira schüttelte leicht den Kopf, kam Svalbergs Aufforderung jedoch nach. Der Mann hörte zu, reagierte aber nicht.
»Wir glauben, dass dieser Mann in den Besitz des Geldes gelangte, indem er Sie und andere erpresste«, fuhr Svalberg fort. »Er ließ sich für die Informationen bezahlen, die Ihren Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung in Schweden betrafen. Für so etwas sollen Sie nicht zahlen müssen.«
»Kann ich mein Geld zurückbekommen?«, fragte der Mann auf Schwedisch.
»Die Möglichkeit besteht«, erwiderte Svalberg wahrheitsgemäß. »Aber dazu müssen wir feststellen können, dass es sich wirklich um Ihr Geld handelt. Könnten Sie wohl so freundlich sein, mir zu erzählen, wie es zu dieser … Zahlung kam?«
Der Mann sah Mira an. »Es geht besser auf Arabisch«, sagte er. »Ich übersetze«, meinte Mira.
»Es geschah an jenem Tag, als ich die Entscheidung erhielt, dass ich nicht bleiben darf. Ich wohnte in einem Flüchtlingsquartier. Dieser Mann kam zu mir und sagte, ich solle abgeschoben werden. Nein, erwiderte ich, das stimmt nicht. Davon habe ich nichts gehört. Ruf deinen Anwalt an, sagte er. Das tat ich dann. Der Anwalt sagte, er würde das überprüfen. Eine halbe Stunde später rief er zurück und sagte, es stimme. Ich sollte abgeschoben werden.«
»Was geschah dann?«, fragte Svalberg.
»Der Anwalt meinte, dass er weiter nichts unternehmen könne. Er sagte, er habe alles versucht. Ich brach in Tränen aus. Ich war am Ende. Doch dann sagte dieser Mann zu mir, er könne mir helfen. Erst müsse ich mich jedoch verstecken, sagte er. Dann würde er dafür sorgen, dass ich bleiben dürfe. Wie das?, fragte ich. Das wollte er mir nicht sagen. Nur dass es Geld kosten würde. 60000 Kronen. Die habe ich nicht, sagte ich. Du brauchst erst zu zahlen, wenn alles okay ist, entgegnete er. Dann kannst du es ein Jahr lang abbezahlen. Was sollte ich tun?«
Er hielt kurz inne und fuhr dann fort.
»Dann ging alles sehr schnell. Die Zeitung berichtete über meinen Fall. Alles, was sie schrieben, war wahr. Die Probleme, die ich in meinem Heimatland gehabt hatte. Die Zeitung hatte Zeugen gefunden. Das hatten sie wirklich gut gemacht. Daraufhin wurde mir die Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Der Mann tauchte wieder auf und behauptete, er habe das veranlasst. Das war die Zeitung, sagte ich. Nein, sagte er, ich. Er hätte die Zeugen gefunden. Ruf an und frage, sagte er zu mir. Wenn ich nicht zahlen würde, würde ich in Schwierigkeiten geraten. Bitte?, sagte ich. Darfst du etwa nicht bleiben?, sagte er. Wenn er dafür sorgen könne, dann würde er auch dafür sorgen können, dass sie mich auswiesen. Was blieb mir also anderes übrig? Er bekam sein Geld. Aber es dauerte anderthalb Jahre, bis ich die Summe abbezahlt hatte. Ich fand es nicht in Ordnung. Schließlich hatte ich ein Anrecht darauf hierzubleiben.«
Svalberg nahm einen Ordner mit zwanzig Fotos aus seiner Tasche. Yngve Carlström, Ahmed Qourir, Jamal Al-Sharif, Jakob Diederman, Gregors Nikolajew und fünfzehn Personen, die nicht das Geringste mit dem Fall zu tun hatten.
Der Mann blätterte in dem Ordner. Beim zwölften Foto hielt er inne.
»Der war es.«
Er deutete auf Ahmed Qourir.
»Es ist klar, wie es funktioniert hat«, meinte John Rosén. »Yngve Carlström ließ sich für Informationen bezahlen, die dazu führten, dass die Flüchtlinge bleiben durften. Ahmed Qourir war sein Strohmann. Wenn nötig, benutzte Carlström die Medien, um eine Pressekampagne in Gang zu setzen. Mit Journalisten zu reden war ungefährlich, das Pressegeheimnis ist unerschütterlich.«
Sie saßen in der Kantine des Präsidiums. Weihnachtskochwurst mit Wurzelgemüsebrei und Senf.
»Jamal war einer dieser Fälle. Vielleicht wollte er deswegen direkt nach Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung einen Kredit über 70000 Kronen aufnehmen. Um Carlström und Qourir abfinden zu können.«
»Der Preis ist höher«, meinte Svalberg. »Der andere Mann hat nur 60000 gezahlt.«
»Wo bekam Carlström alle Informationen her?«, fragte Elina. »Das ist mir nicht ganz klar. Ich finde, wir müssen den Ursprung jeder einzelnen Information, die er verkaufte, klären, um ganz sicher zu sein.«
»Warum?«, fragte Svalberg.
»Es könnten weitere Leute bei der Migrationsbehörde in diese Sache verwickelt sein.«
»Okay«, meinte Rosén. »Aber das ist eigentlich mehr eine Frage für die interne Ermittlung der Behörde. Wir müssen uns auf
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