Elizabeth - Tochter der Rosen
mir, dass die Rebellion gescheitert war. Francis und Jack fielen mit dem Earl of Kildare in England ein. Sie brachten zahlreiche irische Gefolgsleute sowie zweitausend Deutsche mit, die von Henrys erbitterter Feindin, meiner Tante Margaret, Herzogin von Burgund, finanziert wurden. Die Schlacht fand am sechzehnten Juni in Stoke statt, und Francis wurde vernichtend geschlagen.
Jack, Earl of Lincoln, wurde getötet.
Es schmerzte mich sehr, davon zu hören. Ich stand auf und ging in mein Schlafgemach, damit niemand meinen Kummer sah. Dort, auf meinem Betstuhl, dachte ich an Jacks Lachen, seine Freude am Wetten, den Spaß, mit dem er den Kindern Tricks vorgeführt hatte, und ich senkte den Kopf zum traurigen Gebet.
Henry blieb noch einige Wochen im Norden, um die Region zu sichern, dann kehrte er als Sieger und Held nach London zurück. Margaret Beaufort und ich reisten mit einem Kahn vonGreenwich zu einem Londoner Privathaus nahe Bishopsgate, von dem aus wir den feierlichen Empfang anschauen konnten. Doch wir gesellten uns nicht zu Henry. Margaret Beaufort wollte um keinen Preis, dass ihr Sohn den Triumph mit jemandem teilte. Ich bemerkte unterdes, dass die Begrüßung durch den Bürgermeister und die Ratsmänner überschwänglicher ausfiel als nach Bosworth, die Banner üppiger waren und mehr Bürger jubelnd die Straßen säumten. Wir beobachteten, wie König Henry an uns vorbeizog, während der Sonnenuntergang den Himmel und den Fluss in Pastellfarben tauchte. Danach fuhren wir mit unserem Kahn wieder nach Greenwich.
Henry traf am nächsten Abend ein. »Ein Jammer, das mit Lincoln«, murmelte er. »Ich wünschte, wir hätten ihn lebend bekommen, sodass wir dem Problem auf den Grund gehen könnten.«
Mich hatte die Nachricht von Jacks Tod sehr getroffen, doch nun war ich nachgerade froh und dankte dem Herrn, dass er gnädig gewesen war und Jack die Qualen der Folter erspart hatte. Später grübelte ich über Henrys Worte nach. Sie konnten nur bedeuten, dass er ungewiss war, was das Schicksal meiner Brüder betraf, zumindest das Schicksal eines von ihnen.
Hierüber war ich noch in Gedanken, als Margaret Beaufort mit einer Ankündigung zu mir kam.
»Henry möchte, dass du auf eine königliche Prozession gehst und von den Leuten gesehen wirst. Es würde das Land beruhigen. Natürlich begleite ich dich. Falls deine Prozession gut verläuft, wird es sich angenehm auf deine Mutter in Bermondsey und deinen Bruder Dorset im Tower auswirken. Sie beide leiden, wie du wohl weißt.« Margaret Beaufort bedachte mich mit einem strengen Blick.
»Falls ... falls es Schwierigkeiten gibt ... bei der Prozession ...«, stammelte ich.
Ihre Miene sagte mir schon, was dann wäre. »In dem Fall erholen sie sich möglicherweise nicht von der Krankheit, die sie befallen hat. Ich würde meinen, dass deine Mutter nicht allzu viele Trauernde hinterlässt. Es gibt keine andere Frau, die sich so viele Feinde gemacht hat wie sie.«
Stille trat ein. Ich legte meine Flickarbeit beiseite, erhob mich steif und musterte meine Schwiegermutter. Währenddessen wurde ich gewahr, dass ich bislang zwar ihre Härte und Entschlossenheit kannte, jedoch nie zuvor diese Grausamkeit in ihren Zügen wahrgenommen hatte. Sie wäre fähig, Säuglinge mit bloßen Händen zu ermorden, dachte ich erschaudernd. Und jetzt, da ich einen Sohn geboren habe, bin auch ich entbehrlich, zusammen mit meiner gesamten Familie. Margaret Beaufort würde ohne jedweden Skrupel alles tun, was nötig ist, damit ihr Sohn die Krone behält.
Diese Tudors hatten Herzen aus Stein. Ich sank zurück auf meinen Stuhl, wandte das Gesicht zum Fenster und starrte hinaus auf die kalte, trübe Themse und die tief hängenden dunklen Wolken. Dabei dachte oder empfand ich rein gar nichts. Wie durch einen Nebel hörte ich Margaret Beauforts Schritte, die sich entfernten.
Nachdem sie gegangen war, klappte ich die Truhe neben meinem Stuhl auf und griff nach Richards Buch. Ich schlug Boethius’ De Consolatione auf und vertiefte mich in das Geschriebene.
~
An dem warmen Augustmorgen, an dem meine Prozession beginnen sollte, wachte ich auf und bemerkte, dass ich im Schlaf geweint hatte. Mir war noch in Erinnerung, dass ich von meiner Kindheit geträumt hatte. In meinem Traum war ich wiederbei Papa gewesen, hatte mit ihm in einem sonnendurchfluteten Zimmer Blinde Kuh gespielt. Er jagte mich durch den Raum und hinaus auf den Korridor, quer durch den großen Flur und zur Turmtreppe. Um mich
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