Elizabeth - Tochter der Rosen
dunklen Wald zu Tode gehetzt. Diesmal sah ich das Gesicht deiner Tante und das Maximilians auch.«
Ich reichte ihm einen Becher Wein, setzte mich an den Kamin, in dem noch einige Scheite glühten, und nahm meine Leier auf. Nachdem ich einige zarte Akkorde gespielt hatte, stimmte ich ein Lied an. Sogar in der Dunkelheit war zu sehen, dass sich die Furchen auf Henrys Stirn und um seinen Mund tiefer in die Haut gegraben hatten und seine Wangen eingefallen waren. Die Strapazen des Regierens zeichneten ihn. Mich überkam tiefes Mitgefühl mit ihm. Eigentlich hatte ich warten wollen, ehe ich ihm meine Neuigkeit mitteilte, doch ich beschloss, es ihm jetzt zu erzählen. Als die letzte Note meines Liedes verklungen war, ließ ich meine Leier los.
»Henry, ich bin wieder guter Hoffnung.«
Er stieg aus dem Bett, kam zu mir und kniete sich vor mich. Dann nahm er meine Hand und küsste sie zärtlich.
»Inmitten all der Schwierigkeiten, die mich quälen«, sagte er heiser und wandte das Gesicht ab, »gewährt Gott in Seiner Gnade mir doch ein sicheres Licht. Einen Segen, der mich nie verlässt.« Nun sah er mich wieder an. »Der bist du, Elizabeth.«
~
Bald wusste das ganze Land, dass der Prätendent in Schottland war und von James IV . freundlich aufgenommen worden war. Und es folgte eine erstaunliche Nachricht. Ich hörte sie von Kate, als ich aus dem Audienzzimmer kam, wo ich Bittsteller empfangen hatte. Patch begrüßte mich munter, und ich hatte eben meine Laute aufgenommen, um eine neue Version einesmeiner Lieblingslieder zu üben, als Kate ohne Anklopfen hereinstürmte.
»Der Prätendent heiratet!«, rief sie.
»Wie bitte?« Verwirrt richtete ich mich auf.
»Eine königliche Cousine von König James IV ., Lady Catherine Gordon, Tochter von George, Earl of Huntly, dem mächtigsten Lord in ganz Schottland nach dem König!«
Ich öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. »Das ist nicht möglich«, hauchte ich schließlich. Ehen waren immer eine finanzielle Angelegenheit, die ohne Rücksicht auf Gefühle vom Brautvater vereinbart wurden, und diese Verbindung war für den Earl of Huntly von keinerlei Nutzen. Ganz im Gegenteil: Er hatte viel zu verlieren. Überdies band die Heirat König James beinahe so fest an den Prätendenten wie Lady Catherine.
»Es heißt, der Prätendent hätte James’ engstem Rat einen herzzerreißenden Bericht über sein Leben gegeben – wie sein Bruder getötet wurde, wie König Richard ihm Dokumente gab und ihn am Abend vor Bosworth auf den Kontinent schickte und ihm befahl, nicht zurückzukehren, ehe die rechte Zeit gekommen wäre«, fuhr Kate mit großen Augen fort. »Lovell sollte ihn kontaktieren, aber nach Lincolns Rebellion kam keine Nachricht mehr von ihm. Also versteckte Tante Margaret von Burgund ihn bei einem Gefolgsmann und schickte ihn kreuz und quer durch Europa, um ihn zu schützen. Jetzt macht James ihn durch die Heirat zum Mitglied seiner eigenen Familie. Das muss doch wohl bedeuten, dass er der ist, der er vorgibt zu sein: unser Bruder Dickon, oder?«
Obwohl Kate schon verheiratet und selbst Mutter war, begriff sie nicht ganz, was sie sagte. Sie war noch zu jung und voller romantischer Träume.
Ich ballte die Fäuste und bemühte mich, mein pochendesHerz zu beruhigen. »Es bedeutet lediglich, dass James es glaubt, nicht, dass der Prätendent wirklich unser Bruder ist«, antwortete ich.
Patch tänzelte auf uns zu, drehte sich zu dem Minnesänger um, der mit seiner Zither auf einem Hocker in der Ecke saß, und nickte ihm zu. Als der Mann eine Melodie anstimmte, blähte Patch die Brust wie ein Troubadour und quäkte mit seiner hohen Stimme eine Ballade.
»Einst war eine schöne Baronentochter
in Liebe zu einem Gaukler entbrannt,
der machte aus Pferdegebein und Lumpen allein
eine feine Stute und ritt sie gar fein ...«
Patch ahmte auf solch albern übertriebene Weise einen Reiter nach, dass Kate nicht aufhören konnte zu lachen.
»Dass die Schöne ihn in ihr Bette ließ,
weil sie glaubte, dass er Duke oder Earl wenigstens hieß.
Im Morgengrauen schaut sie wieder hin,
und was, glauben meine Damen, trübt da ihren Sinn?«
»Was?«, fragte Kate aufgeregt.
»Was?«, wiederholte ich gedankenverloren, denn ich grübelte noch über die Nachricht nach.
»Einen rotäugigen Flegel.«
»Aber man sagt, dass sie ebenso in ihn verliebt ist wie er in sie«, beharrte Kate. »Und dass sie die schönste Jungfer in ganz Schottland ist, mit Augen wie Sterne. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher