Elizabeth - Tochter der Rosen
Zwischen uns stand ein kleiner Tisch, und Diener brachten ein Silbertablett mit Wein sowie Käse, Brot und Süßspeisen, denn ich wusste ja, dass de Puebla in seinem schäbigen Wirtshaus wenig Gutes bekam. Leider fehlte es ihm nach wie vor an dem nötigen Geld, eine bessere Unterkunft zu bezahlen. Wie Henry war auch König Ferdinand ein Geizhals. Er blieb de Puebla seit Monaten sein Salär schuldig, genau wie Henry den Steinmetz-Meister bis heute nicht bezahlt hatte, der Richards Grabstein gefertigt hatte. Beide trennten sich nur schwer von ihrem Geld, auch wenn es jemand anderem zustand.
»Hoheit«, begann er und bedankte sich stumm für den Wein, den ich ihm reichte, »ich habe hier einen Brief von König Henry. Er setzte mich über gewisse Ereignisse in Kenntnis, welche sich am dreizehnten September zutrugen, und bat mich, die Neuigkeiten sowohl Euch als auch dem venezianischen Botschafter und dem Mailands zu überbringen.«
Ich nickte.
»Als der Prätendent seinen Zufluchtsort von den Männern des Königs umzingelt sah und ohne Aussicht auf Entkommen war, war er höchst begierig, die Amnestie des Königs anzunehmen. König Henry schreibt, Ihr wärt froh, es zu erfahren.«
Froh? Bin ich froh zu hören, dass dieser junge Mann von sechzig oder mehr bewaffneten Männern aus seinem Kirchenasyl hätte gezerrt werden können, ähnlich Thomas und dessen Bruder Humphrey Stafford in Culham im Jahr 1486?Henry war berüchtigt dafür, dass er die uralten Gesetze des Asyls missachtete. Aber natürlich wollte er allgemein bekannt machen, dass der »falsche Junge« sich, schlotternd vor Angst und heulend, ergeben hatte und dass er, Henry, der »gnädigste« aller Könige, ihm seine Bitte gewährte.
So gut ich auch Henrys Wunsch verstand zu behalten, was er besaß, fragte ich mich doch bisweilen, ob er mit dem Preis würde leben können.
~
Ich schaute mir Henrys triumphalen Einzug nach London vom Giebelfenster des Hauses in Cheapside zusammen mit Kate und den Kindern an. Einzig Arthur war nicht dabei, denn er war die gesamte Zeit über in Wales geblieben. Henry glaubte ihn in Ludlow sicherer als irgendwo sonst im Königreich. Es war ein kalter, aber sonniger Novembertag, doch der eisige Wind hielt die Leute nicht zurück.
Als der Prätendent zu sehen war, stieß ich einen stummen Schrei aus. Richmond Herald hatte gesagt, dass er seine Kleidung aus goldenem Tuch getragen habe, als er sein Asyl verließ. Jetzt hingegen war er weit schlichter gekleidet, und dennoch konnte seine schäbige Gewandung nicht verhehlen, dass er große Ähnlichkeit mit meinem Vater hatte – ebenso wenig wie die Eleganz und Würde seiner Haltung. Er war nicht gefesselt oder sonstig eingeengt, und alles an ihm, angefangen bei seinem goldenen Haar bis zu den leuchtend blauen Augen, sagte dem Betrachter, dass er hier einen geborenen Kronprinzen vor sich hatte. Die Menge höhnte und spottete trotzdem. »Gemeiner Ausländer!«, schrien sie, »Wie kannst du es wagen?«, »König willst du sein? König der Misthaufen!« Sie bewarfen ihn mit Unrat. Er zuckte nicht einmal, sondern ritt an ihnen vorbei, als sähe und hörte er sie nicht.
In mir regte sich ein solches Mitgefühl mit ihm, dass mir eine Träne über die Wange rollte.
»Warum weinst du, Mutter?«, fragte Harry. »Hab keine Angst, er kann keinem was tun.«
Kate umarmte mich.
»Ich kann es nicht mitansehen«, sagte ich, denn in meinem Kopf hob ein unerträgliches Pochen an. Kate führte mich vom Fenster weg.
Am Abend in Westminster kam Henry in mein Gemach und schenkte mir Wein ein. Ich lehnte ab, doch er beharrte. »Trink! Es wird dir guttun.«
Er stand gedankenverloren am Kamin, eine Hand an den Sims gestützt. Ich zwang mich, einen Schluck von dem Wein zu nehmen.
»Was ist mit seiner Gemahlin, Lady Gordon?«, fragte ich. Es war mir unmöglich, das Bild von dem Prätendenten – Dickon? – aus meinem Kopf zu verbannen.
Henry rang hörbar nach Atem und ließ die Schultern sinken. »Sie kam aus dem Kloster und hat sich Daubeny ergeben.«
Er log. Ich hatte ihn bereits am sechzehnten September diktieren gehört, dass er beabsichtigte, sie aus dem Kloster zu holen.
»Warum ist sie nicht hier bei ihrem Gemahl?«
»Sie ist in Buryan niedergekommen. Das Kind ist tot. Deshalb blieb sie in Exeter, wo sie die üblichen sieben Tage in einem verlassenen Haus trauern kann.«
Ich schloss die Augen. Weh, o weh! Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »Was ist mit ihrem anderen Sohn,
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