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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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leerten sich die Räume. Inmitten des Durcheinanders kam ein Bote in den Palast und fiel vor meiner Mutter auf ein Knie.
    »Euer Gnaden, Gloucester ist nur noch einen Tagesritt von hier entfernt!«
    Meine Mutter blickte sich entsetzt um. »Aber es ist noch so viel zu packen!«, rief sie zu ihrem Kammerherrn. »Kannst du nicht schneller machen?«
    »Euer Gnaden, wir haben den ganzen Tag Wagen zur Abtei gefahren. Jeder arbeitet so schnell, wie er kann, aber manche der größeren Stücke passen nicht durch die schmalen Gänge. Wir haben Mühe, sie hinauszuschaffen.«
    »Dann reißt eine Mauer zwischen dem Palast und dem Kloster ein, du Narr!«, fuhr meine Mutter ihn an. »Und arbeitet die Nacht durch! Gloucester wird bald hier sein, begreifst du nicht? Wir müssen alles sicher im Kloster haben, bevor er eintrifft, sonst stiehlt er uns noch den letzten Becher.«
    ~
    Schließlich wurden wir mitsamt unserem Besitz von meinem Onkel Edward Woodville zur Abtei eskortiert. Der Morgen brach an und tauchte die Themse in herrliches rotgoldenes Licht.
    Ich schlief unruhig, und beim ersten Morgenlicht kletterte ich hinauf zum hohen Fenster, durch das man über den Fluss sehen konnte. Dort saß ich an ein Kissen gelehnt und lauschte den Schreien der Flussvögel, dem Läuten der Kirchenglocken und dem Gesang der Mönche. Alles schien so ruhig. Ich schloss die Augen, sog die klare Luft ein und schmeckte das Aroma des Flusses auf meiner Zunge. Ein plötzliches Klopfen an der Tür erinnerte mich jäh daran, dass es keine Ruhe gab.
    Mutter regte sich auf ihrem Strohlager; sie war zu erschöpft gewesen, um sich ihr Federbett für die Nacht herzurichten. Ich stieg von der Fensterbank und ging nachsehen, wer uns weckte. Es war Bischof Edward Story, der alte Beichtvater meiner Mutter.
    »Story!«, rief Mutter, zupfte sich Stroh aus dem Haar und von ihrem Kleid und stand auf. »Wie gut, Sie zu sehen, lieber Story!« Sie blickte gerührt zu ihm auf. »Wir haben so vieldurchgemacht! So viel! Es tut uns gut, Ihr freundliches Gesicht zu sehen.«
    »Euer Gnaden, ich bedaure zutiefst, dass Ihr abermals hier Zuflucht suchen müsst. Es erinnert schrecklich an alte Zeiten   – Zeiten, von denen wir glaubten, sie lägen hinter uns. Und nun plagen Euch abermals große Sorgen.«
    Mutter umfing seinen Arm und zog ihn hinein. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anbieten, doch leider haben wir nichts, keinen Wein, kein Gebäck. Wir müssen warten, bis die Mönche frühstücken, dann können wir uns von ihnen etwas Brot holen.«
    Es stimmte nicht ganz. Mit unseren Truhen voller Gold und Silber konnten wir uns kaufen, was immer wir wollten. Aber Mutter genoss es, die Märtyrerin zu spielen. Mein Bruder Dickon kam zu ihr und klammerte sich an sie. Er lehnte seine Wange an ihre Röcke und sah zu Story auf. Inzwischen war er neuneinhalb Jahre alt, ein schönes Kind mit elfenbeinhellem, rosigem Teint, leuchtend blauen Augen und Haar so golden wie Weizen in der Sommersonne.
    Story blickte von meiner Mutter zu Dickon und wurde noch ernster. »Euer Gnaden, leider hat mein Besuch heute einen gewichtigen Grund.« Er zögerte. »Darf ich offen sprechen?« Auf Mutters Nicken hin fuhr er fort: »Solange Ihr Seine Hoheit, Richard of York, bei Euch im Kloster behaltet, wird das Leben des jungen Königs Edward V. sicher sein.«
    Meine Mutter wurde blass. Sie schaute zu Dickon, der sie verwundert ansah. Ich hatte den Eindruck, dass meine Mutter sich bis zu diesem Moment nicht gänzlich gewahr gewesen war, was sie ausgelöst hatte. Angetrieben von Furcht und Hass, hatte sie versucht, die Macht an sich zu reißen, ohne zu bedenken, welche Folgen ein mögliches Scheitern haben würden. Trotzdem machte ich mir keine Sorgen. George of Clarence wäre mit seiner Unberechenbarkeit eindeutig eine Gefahr für uns gewesen, nicht aber Richard of Gloucester. Mein Onkel Richard war loyal und klug, und mein Vater hatte nicht grundlos großes Vertrauen in ihn gesetzt.
    Auf einmal waren Lärm und Rufe vom Fluss zu hören. Ich kletterte zurück auf die Fensterbank und musste an mich halten, nicht aufzuschreien, als ich hinaussah. Überall war das weiße Bärenwappen zu sehen. Der ganze Fluss war bedeckt von Schiffen voller Männer des Duke of Gloucester.
    »Was ist?«, hauchte meine Mutter, die regungslos in der Mitte des Raumes stand und Dickon an sich drückte.
    Ich schluckte. »Onkel Richards Männer bewachen die Flusszugänge.«
    Unruhe auf dem Klostergang lenkte unsere Blicke zur

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