Elizabeth - Tochter der Rosen
Und er braucht eine starke Eskorte. Zehntausend Männer.«
Wieder ging ein Raunen durch den Raum.
»Gegen wen soll unser junger Herrscher beschützt werden?«, fragte Hastings, der nach wie vor stand und sich umblickte. Viele von denen, die meine Mutter unterstützten, wandten das Gesicht ab oder senkten den Kopf. »Solche extremen Maßnahmen sind unnötig. Wir befinden uns nicht im Krieg, Euer Gnaden.«
»Aber, Lord Hastings«, erwiderte meine Mutter überheblich, »ich kann nicht gestatten, dass Englands König ohne angemessene Eskorte, die ihn beschützt, über gefährliches Terrain reist.«
»Die Straßen sind nicht gefährlich, Hoheit, und falls Ihr auf einer derart mannstarken Eskorte besteht, bleibt mir keine andere Wahl. Ich ziehe mich nach Calais zurück.« Hastings stützte beide Hände auf den Tisch und beugte sich zu ihr.
Ich sah meiner Mutter an, dass sie daran dachte, welche entscheidende Rolle Calais zu Zeiten Warwicks, des Königsmachers, gespielt hatte. Mit einer ganzen Flotte zu seiner Verfügung und einer uneinnehmbaren Festung als Rückzugsort war es ihm gelungen, meinen Vater vom Thron zu stoßen und Henry VI . wieder einzusetzen. Warwick hatte Papa ein ganzes Jahr vom Thron ferngehalten, bis zur Schlacht von Barnet. Meine Mutter musste Hastings in Reichweite behalten, denn er war überall dort beliebt, wo sie verhasst war, und die Menschen würden sich fraglos auf seine Seite schlagen.
Hastings und Mutter starrten einander eine Weile lang erbost an, und es kam mir vor, als trügen sie ein stummes Gefecht aus, ähnlich einer schwierigen Schachpartie.
»Nun gut, die königliche Eskorte wird nicht mehr als zweitausend Mann umfassen. Sind Sie jetzt zufrieden?«, fragte meine Mutter schließlich.
Der Ritter hat die Königin schachmatt gesetzt , ging es mir durch den Kopf.
»Ja, Madame«, antwortete Hastings. »Ihr wart klug.« Er setzte sich wieder, lehnte sich zurück und beäugte sie wie die Maus die Katze. Ich wusste, dass Hastings fortan auf der Hut sein sollte; für diese Beleidigung würde sie sich rächen.
Später an dem Abend waren wir im Sonnenzimmer von Westminster. Cecily flocht sich ihr Haar und bewunderte sich im Spiegel; Dickon baute einen Turm aus Holzklötzen, auf dessen Wehrgang er Zinnsoldaten stellte, während ich meinen Schwestern Anne und Kate ein Märchen über Ritter und Drachen erzählte und die kleine Bridget mit einer Stoffpuppe spielte. Unterdessen schimpfte meine Mutter über Hastings und seine verschleierte Drohung, Calais gegen sie zu benutzen. Wieder schickte sie nach einem Schreiber und diktierte ihm eine Botschaft an meinen Onkel Anthony, er solle eiligst Edward nach London bringen, damit er gekrönt werden konnte.
Es vergingen Tage, die zu Wochen wurden. Bald war der Mai gekommen und Edward immer noch nicht da.
KAPITEL 4
Das Kirchenasyl · 1483
G LOUCESTER SENDET EUCH sein Beileid, Madame«, sagte Hastings. Er las aus einen Brief meines Onkels Richard of Gloucester an den Rat vor.
» Ich war meinem Bruder, König Edward, daheim und in der Ferne treu, im Frieden wie im Krieg. Ich bin dem Erben und dem Erlass meines Bruders treu und wünsche lediglich, dass das Königreich gerecht regiert wird, wie es das Gesetz verlangt. Das Testament meines Bruders hat mich zum Verweser ernannt. Was die Verteilung der Herrschaft betrifft, bitte ich dich, meine Schwägerin, zu bedenken, dass ich meine Stellung rechtmäßig und gemäß dem Wunsch meines Bruders innehalte. Jedes Handeln, das im Widerspruch zum Befehl meines Bruders steht, kann nur Unheil bringen. «
Der Rat fand, dass es ein überaus höfliches Schreiben war, und viele, die vorher unentschlossen gewesen waren, fühlten sich nun bewogen, für Onkel Richard zu stimmen. Meine Mutter hingegen nahm die Nachricht als Beweis, dass Richard uns schaden wollte. »Seht ihr – er schreibt, ›jedes Handeln, das im Widerspruch zum Befehl meines Bruders steht, kann nur Unheil bringen‹. Er will uns die Macht entziehen!«
Ich sprang auf. »Das meint er nicht, Mutter! Er schreibt nur, dass er nicht tatenlos mitansehen wird, wie du ihm die Macht entziehst. Denn das wäre gegen Papas ausdrücklichen Wunsch.«
»Wie kannst du es wagen, mir zu widersprechen?«, schrie meine Mutter.
Noch nie hatte ich mich gegen sie aufgelehnt. Ich hasste Streit, und sie liebte ihn. Deshalb legte sie einen einmal begonnenen nicht so rasch bei. Aber ich erinnerte mich an den letzten Wunsch meines Vaters, und um seinetwillen begehrte
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