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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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ihre Flügel die Sonne verdunkeln«, flüsterte ich.
    Der König nahm die Hände von seinem Gesicht. Ich lächelte ihn durch meine Tränen an, obgleich mir sein Anblick das Herz brach. Sein Schmerz hatte ihm unbarmherzig Furchen in die Stirn, die Mundwinkel und die Schläfen gegraben. Bei Gott, er war an einem Tag um zehn Jahre gealtert! Ich berührte seinen Ärmel. »Sie wurde aus dieser dunklen Welt gerettet, Mylord. Und Gott hat nun einen weiteren Engel an Seiner Seite.«
    Längere Zeit sahen wir einander an, geeint in unserer Liebe zu Königin Anne und all dem, was wir über die Jahre gemeinsam erlebt hatten. Dann machte König Richard wortlos einen Schritt nach vorn und sank gegen mich. Ich legte meine Arme um seinen Kopf und hielt ihn wie ein unglückliches Kind.
    Ich bemerkte, wie sich die weinende Countess abwandte und die Diener schniefend ihre Köpfe senkten. Einzig Erzbischof Rotherham blickte uns weiter mit harter Miene an. Er weinte nicht.
    ~
    Die Gerüchte begannen am nächsten Tag: König Richard hat seine Gemahlin vergiftet, um seine Nichte zu heiraten . Die besonders Verderbten höhnten, ich hätte das Bett mit meinem Onkel geteilt und ihm ein Kind geboren. Die Berater des Königs besprachen sich mit ihm hinter geschlossenen Türen und drängten ihn, die Vorwürfe zu leugnen. Doch zunächst galt es, die Königin zu beerdigen.
    An einem grauen Regentag zog unsere Prozession aus Lords und Ladys, angeführt vom Lord Kardinal Erzbischof von Canterbury und begleitet vom Gesang der Mönche vom Westminster Palace, zur Abtei. Der Sarg der Königin war mit schwarzem und weißem Samt bedeckt und wurde von vier Rappen über den gepflasterten Hof gezogen. Zu beiden Seiten des Wagens gingen vier Ritter, die Fackeln trugen. Ausnahmsweise schwiegen die Kirchenglocken, sodass außer den Hufschlägen und dem Weinen der Trauernden keinerlei Geräusche zu hören waren. Königin Anne hatte mit ihrer Wohltätigkeit und Güte die Herzen der Armen für sich gewonnen, und das gemeine Volk war in Scharen herbeigekommen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Sie standen vor den Mauern und Toren und sahen dem feierlichen Trauerzug zu.
    Mit schleppenden Schritten und in schlichtes dunkles Tuch gewandet und ohne jeden Schmuck   – bis auf den Saphirring der Königin   – folgte König Richard barhäuptig dem Sarg. Mir ging durch den Kopf, wie vieles sich für ihn in den gerade mal zwanzig Monaten, seit er den Thron übernommen hatte, verändert hatte.
    In der Abtei war es dunkel und kühl. Weihrauchduft erfüllte das Kirchenschiff, und Rauchfahnen stiegen zu dem hohen Deckengewölbe auf. Hunderte von Kerzen flackerten, und zwischen dem Steinboden und den Deckenbögen oben hallte der Mönchsgesang lauter. Langsam bewegte sich die Prozession ander schattigen Sakristei vorbei, an dem hohen Altar und den Gräbern anderer Plantagenet-Könige von England: den Henrys, Edwards, Richards   ...
    König Richard blickte nicht zum Grab von Henry V. mit dem Holzrelief in Silber und Gold. Seine Witwe, Katherine von Valois, Henry Tudors Großmutter, hatte es zu seinem Andenken aufstellen lassen. Am Grab von Richard II . hingegen sah er zur Marmorstatue. Auch ich betrachtete das milde, fast kindliche Gesicht der Statue, das von hübschen Locken umrahmt wurde. Dies war der Mann, der den Zwist zwischen Lancaster und York gesät hatte. Seit annähernd hundert Jahren zahlte England einen blutigen Preis für die Entthronung und Ermordung Richards II . Dabei hatte man im Reich geglaubt, mit Henrys Tod wären die Kämpfe um die Dynastie beendet.
    König Richard schloss die Augen und atmete tief ein. Als er sie wieder öffnete, blickte er starr auf die Statue von Richards II . Königin, die ebenfalls Anne geheißen hatte. Mir schien diese Parallele befremdlich, denn auch König Richard II . war außer sich vor Kummer gewesen, als er seine Anne beerdigt hatte.
    Dann ging König Richard weiter. Nahe der Südtür, durch die man zum Schrein König Edwards des Bekenners gelangte, kam der Trauerzug zum Stehen. Dort hatten König Richard und Königin Anne bei ihrer Krönung vor dem Steinrelief und dem Reliquienschrein gekniet. Nun stand die Grabstelle der Königin weit offen: eine klaffende Nische im Stein. Die Mönche erhoben die Stimmen zum Requiem. Als es vorbei war, trat Erzbischof Bourchier vor, öffnete seinen Psalter und sprach das Vaterunser.
    König Richards Blick war auf den unnachgiebigen Stein gerichtet, und ich konnte lediglich erahnen, welchen

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