Elizabeth - Tochter der Rosen
»Burg der Fürsorge« nach dem Buch The Vision of Piers Plowman benannt hatte, ebendem Gedicht, das ihm einst Hoffnung und Träume von einer neuen, gerechten Welt geschenkt hatte.
Ich sah Johnnie und Edward an, meine beiden Mündel, die still neben mir herritten. Richard schickte uns zu seinen alten Freunden in Yorkshire, den Kameraden aus seiner Jugend, bei denen wir sicher sein sollten. Seine Anweisung war schlicht: Wir sollten warten.
Also würden wir warten.
Die Sieger erwartete Leben und ein Thron, die Gewinner Tod und Elend. Welches Schicksal wen ereilte, würde Gott entscheiden.
In Sheriff Hutton wurden wir von den Dienern und Verwaltern herzlich empfangen. Dennoch lasteten die Tage schwer aufmeinen Schultern. Sheriff Hutton mit seinen acht mächtigen Türmen, den prächtigen Wandbehängen, langen Korridoren und stattlichen Treppenaufgängen war ein einsamer Ort. Ich verbrachte meine Zeit in der stillen Gesellschaft meiner beiden Cousins und war dankbar für Edwards Unschuld und schwachen Geist, der ihn davor schützte, unsere Lage in Gänze zu begreifen.
»W-was machst du da, Lizzie?«, fragte er mich eines Nachmittags, als ich vor meinem Spiegel saß.
»Ich flechte mir das Haar, Edward«, antwortete ich.
»Ich l-liebe d-dein H-H-Haar. Es ist s-so weich, w-wie das ei-eines Engels.«
»Danke, Edward.« Ich umarmte ihn und ging zu den Stallungen. Auf dem Weg dorthin gesellten sich Waffenknechte zu mir. So sehr ich mir auch wünschte, sie würden mich einfach allein lassen, wusste ich, dass es zu gefährlich war. Ich stieg auf meinen weißen Zelter und verfiel bald in einen Galopp, während ich mich im Sattel weit nach unten lehnte und über Blumenwiesen ritt, über denen graue Wolken mit silbernen Sonnenrändern hingen. Hinter mir donnerten Hufe heran. Es war Johnnie, der mich auf seinem Braunen einholte, jedoch nichts sagte. Wir ritten schweigend nebeneinander her, bis ich schließlich atemlos die Zügel anzog und Johnnie mir beim Absteigen half. Inmitten roten Klatschmohns breitete ich eine Decke aus, auf die wir uns setzten. Eine ganze Weile hing ich meinen Gedanken nach, ehe ich fragte: »Was wird geschehen, Johnnie?«
Er atmete hörbar ein. »Niemand weiß es, aber ich befürchte das Schlimmste. Mein Vater will nicht mehr von Herzen König sein.«
»Ich weiß«, sagte ich unglücklich.
»Was wirst du tun, wenn er verliert? Hast du schon überlegt, was dann aus dir wird?«
»Ich denke an nichts anderes«, antwortete ich, pflückte eine Mohnblume und drehte sie zwischen meinen Fingern, den Blick auf ihre schwarze Mitte gerichtet. »Ich möchte fliehen. Oh, wie gern würde ich fliehen! Doch ich fürchte, dass ich bleiben muss.«
»Um die Häuser Lancaster und York zu vereinen, wird man dich zwingen, Tudor zu heiraten, wenn du bleibst.«
»Ich weiß, Johnnie. Leider ist diese Geschichte größer und mächtiger als ich. Es geht um England. Sollte ich fliehen, würde der Krieg weitergehen und noch mehr Tote fordern. Wenn ich hingegen bleibe ...«
»Wirst du Königin.«
»Ja, Königin. Und England bekommt Frieden.« Mein Kummer war ein gewaltiger Knoten in meinem Innern, und auf einmal wurde mir selbst das Gewicht der Blume in meiner Hand zu viel. Ich ließ sie in das Meer von Rot fallen, das mich umgab. »Meine Schwestern sind in London. Was wird aus ihnen, falls ich weggehe? Als Königin könnte ich alle beschützen, die von mir abhängig sind – nicht bloß meine Schwestern, sondern auch den kleinen Edward. Das würde Richard wollen. Er will, dass ich den Ausgang der Schlacht mit Tudor als göttliches Urteil hinnehme, wie auch immer er sein mag.«
Johnnie nahm meine Hand und sah mich mit seinen grauen, kummergeplagten Augen an. »Elizabeth, meine schöne Cousine, ich werde für dich beten.«
»Und ich für dich, mein lieber Johnnie.«
~
Manchmal trieb mich meine Traurigkeit in die Gärten, die ich durchwanderte, oder jagte mich zu Pferde über die Felder und Wiesen, wo mir der Wind ins Gesicht blies, und doch half eswenig, meine finstere Stimmung zu heben. An den Abenden spielte ich meine Laute und sang für Johnnie und Edward, aber alle Lieder waren Klagegesänge, denn die heiteren Melodien wollten mir nicht einfallen. Richard war überall um mich.
Was mich an Nachrichten erreichte, gelangte meist nur bruchstückhaft bis zu uns. Tudor hatte Sir William Stanley und dessen Bruder, Lord Thomas Stanley, mittels Bestechung auf seine Seite gezogen. Bis zum heißen, gewittrigen August
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