Elizabeth - Tochter der Rosen
war die Spannung in der Burg auf ein unerträgliches Maß angestiegen, und es wurde getuschelt: »Tudor kommt im August.«
Viele Male waren Johnnie, Edward und ich Anfang August ans Fenster gelaufen, wenn Pferde in den Hof galoppiert kamen. Wir hatten nicht abwarten können, welche Nachricht sie brachten, sondern waren gleich hinuntergelaufen.
»Am siebten August ist Henry Tudor in Milford Haven in Wales, dem Land seiner Väter, gelandet!«
»König Richard hat Nottingham verlassen und ist auf dem Weg nach Leicester, dem Sammelplatz seiner Armee!«
»König Richard hat Lord Stanley erlaubt, seine Seite zu verlassen! Keiner versteht, warum.«
Diese letzte Nachricht war niederschmetternd und erstaunlich.
»Sir William Stanley und sein Bruder, Lord Thomas, der schlaue Fuchs, haben die Macht in Cheshire und Lancashire. Jetzt muss der König ohne sie auskommen«, rief jemand aus, und das Gleiche dachte ich. »Was denkt er sich nur? Will er sterben?«
»König Richard weiß, dass die Stanleys nach dem Motto leben: ›Ein Bein auf jeder Seite‹!«, sagte ein anderer.
»Ja. Der alte Fuchs ist zu gerissen, als dass er sich festlegt, ehe er nicht sieht, wie der Hase läuft«, mischte sich ein Dritter ein.
Mein Kopf schmerzte, und das Schwindelgefühl nahm zu.Ich wandte mich ab, denn ich konnte das Entsetzen in den Gesichtern um mich herum nicht mehr aushalten. Gleichzeitig drückte ich eine Hand auf meinen Mund, um nicht aufzuschreien. Sucht Richard vergeblich nach Getreuen?, grübelte ich. Überlässt er Fortuna sein Los? Wünscht er sich den Tod als Erlösung von seinen quälenden Erinnerungen? Ich wusste keine Antworten auf diese Fragen.
Eine Woche später erhielten wir weitere Nachricht.
»Eine weise Frau hat König Richards Niederlage prophezeit! Als der König auf dem Weg in die Schlacht die Brücke bei Leicester überquerte, hat seine Spore die Seitenwand gestreift, und die weise Frau sagt, wo seine Spore auf dem Hinweg auf den Stein traf, wird es sein Kopf auf dem Weg zurück.«
Ich lief wieder in die Burg. In meiner Kammer schloss ich die Augen und sank auf einen Stuhl. Meine Beine waren zu schwach, um mich zu halten. Vor meinem geistigen Auge sah ich Richard auf seinem weißen Ross aus Leicester herausreiten und freud- und rastlos in den Kampf ziehen, die Krone auf dem Kopf und umgeben von seinen Männern.
Es trafen keine weiteren Nachrichten ein. Erst am dreiundzwanzigsten August hörte ich Rufe und Schreie, die mich ans Fenster lockten. Verwundete Männer kamen in den Burghof gewankt. Ich ließ das Buch fallen, aus dem ich Edward vorgelesen hatte, und wir rannten gemeinsam die Treppe hinunter, stolperten und fielen mehrmals fast hin. Beim Anblick der Soldaten erstarrte ich. Entsetzt und ungläubig hielten sich die Männer die verwundeten Gliedmaßen und stützten sich aufeinander. Dabei berichteten sie aufgewühlt von dem Desaster. Ich trat aus dem Treppenturm, woraufhin alle verstummten und mich ansahen. Ihre letzten Worte indes hatte ich gehört, und sie hallten mir durch den Kopf wie misstönende Fanfaren.
»... Henry Tudor ... König ...«
Ich schrie auf, sank zusammen und streckte im Fall einen Arm aus, um mich abzustützen. Nur benommen wurde ich gewahr, dass Johnnie mich auffing.
Eine Stimme sagte sanft: »Mylady, erlaubt mir, Euch nach drinnen zu bringen.«
»Nein!«, rief ich. »Nein, erzählt mir, was geschehen ist! Ich muss wissen, was geschehen ist.«
Der Mann zögerte, ehe er leise erklärte: »Mylady, am gestrigen Montag, dem zweiundzwanzigsten August, kam es bei Bosworth zur Schlacht. König Richard ist tot.«
Ich biss die Zähne fest zusammen, ballte die Fäuste und zwang mich, mich auf den Beinen zu halten. Ich sah zu Johnnie, der sehr blass geworden war. Edward begann zu weinen, und ein Mann nahm ihn bei der Hand. »Kommt, mein kleiner Lord! Dies ist kein Ort für Euch.« Mit diesen Worten führte er den Jungen in den Turm.
Der Bote berichtete weiter.
»Nach zwei Stunden in der Schlacht versuchte König Richard, den Feind zu stellen, und ritt mit jenen Rittern, die gewillt waren, mit ihm zu sterben, den Hügel hinunter. Ja, es war selbstmörderisch, Mylady, hinter die feindlichen Linien zu reiten, um an Tudor zu gelangen. Als hätte er den Tod gesucht.«
Jemand anders fiel ein: »William Stanley, der die Schlacht von einem benachbarten Hügel beobachtet hatte, schlug sich mit seiner Armee auf Henry Tudors Seite.«
Ich bemühte mich, sein Gesicht richtig zu sehen, doch
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