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Elke, der Schlingel

Elke, der Schlingel

Titel: Elke, der Schlingel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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es auch. Er verstand was von Mäusen und
wußte genau, als er sie einmal gesehen hatte, daß Minimax keine gewöhnliche
Hausmaus war, sondern eine zierliche, braune Feldmaus, die in einer besonders
kalten oder nassen Nacht sich aus dem kleinen Garten, der vor Tadsens Wohnung
lag, sicher in Elkes Zimmer eingeschlichen hatte.
    Nein, Elke war nicht sehr dafür, ihr
Geheimnis preiszugeben. Es ging ja alles großartig, wie es jetzt war! Minimax
hatte so gut zu leben wie noch nie, und es machte so viel Spaß, aufzupassen,
wann sie wohl wieder hervorkam. Und vorzubeugen, daß sie von niemand entdeckt
wurde, war ja gar nicht so schwer. Die kleinen schwarzen Mäuseschmützchen
räumte Fränzi immer schnell weg, und im übrigen brauchte man nur an der
Bettstelle zu rütteln, wenn jemand den Korridor herunterkam, dann kriegte
Minimax Angst und lief sofort in ihr Loch zurück.
    Nein, Elke mußte sich alles noch erst
gründlich überlegen, ehe sie durch ein Geständnis Minimax in Gefahr brachte.
Katje riet, auf Onkel Bernhard zu vertrauen, es würde sicher alles gut werden,
wenn er mit der Mutter sprach, aber Elke blieb eigensinnig — nein, sie wollte
es sich erst noch überlegen, was das beste war.
    Katje war nach wie vor die Getreueste
der Getreuen in Elkes Freundinnenkreis. Sie arbeitete mit ihr durch, was in der
Schule drangekommen war, damit Elke nicht solche großen Lücken bekam, und sie
las ihr vor. Stundenlang las sie manchmal vor, denn Elke mochte so gern
vorgelesen bekommen. Katje war schon manchmal ganz heiser, aber immer sagte
sie, sie könne noch.
    Auch Frau Reimers war rührend. Es war
ihr damals so unangenehm gewesen, daß die Kinder über Nacht auf dem Dom
geblieben waren, und sie hatte sich bei Elkes Eltern viele Male entschuldigt,
obgleich sie ja eigentlich gar nicht schuld daran gewesen war. Auch jetzt
meinte sie immer noch, daß sie etwas gutzumachen habe. So nähte sie ein Kleid
und einen Mantel und Wäschestücke für Elkes Teddybären, und die Sachen waren
eine wahre Pracht, so hübsch und sorgfältig angefertigt waren sie.
    Ja, ja, unsere Elke wurde verwöhnt.
Sogar von Fräulein Samtleben, dem Stummelschwänzchen, wurde sie verwöhnt.
Fräulein Samtleben trug es ihr nicht im geringsten mehr nach, daß sie mit einer
riesengroßen Nase und einem schleifengeschmückten Zopfende an die Wandtafel
gemalt worden war — sie war gar nicht mehr böse. Eher war sie auf sich selber
böse, daß sie dem Kinde damals die viel zu heftigen Vorwürfe gemacht hatte.
Elke war ein übermütiger Schlingel, aber gleichzeitig ein liebes, tapferes
Kerlchen, bei dem man schon mal fünf gerade sein lassen konnte. — Also Schwamm
über die ganze Geschichte!
    Fräulein Samtleben schrieb nicht nur
an Elke, sondern sie besuchte sie auch einmal. Sie kam an einem Nachmittag. Es
sollte ein denkwürdiger Nachmittag werden. Und wodurch? Durch Minimax!
    Es war ganz still im Zimmer. Fräulein
Samtleben sprach mit ziemlich leiser, gleichmäßiger Stimme, um Elke etwas aus
der deutschen Grammatik zu erklären, was sie bei Katje nicht ganz begriffen
hatte. Frau Tadsen, die sich auch im Zimmer befand, saß auf einem Stuhl neben
dem Fußende von Elkes Bett und stopfte Strümpfe.
    Elke hatte einen langen Wollschal um
die Schultern gelegt bekommen, weil es heute nicht besonders warm im Zimmer
war, und das eine Ende des Schals hing bis auf den Fußboden hinab. Niemand gab
weiter darauf acht, bis auf eine, und das war die kleine Maus Minimax. Aha!
mochte das Tierchen denken, das sich so gut darauf verstand, an Vorhängen und
Gardinen hochzuklettern, da bietet sich mir ja mal eine gute Gelegenheit, zu
meiner Freundin aufs Bett zu klettern! An den glatten Beinen des Metallbettes komme
ich ja nie hoch. Aber wenn ich das wollige Ding da hinaufspaziere, bin ich
eins, zwei, drei oben! — Gedacht, getan. Und schon saß Minimax mitten auf Elkes
gelbbrauner Steppdecke. Elke kriegte einen feuerroten Kopf vor Schreck, rührte
sich aber nicht, so daß die Maus ruhig sitzen blieb. Da fiel auch schon der
Mutter Blick auf die Maus. „Elke!“ rief Frau Tadsen.

    Nun sah auch Fräulein Samtleben, die
soeben etwas für Elke auf einen Notizblock geschrieben hatte, was los war, und
da die Maus es durchaus nicht eilig hatte, wieder zu verschwinden, fragte sie:
„Ist das eine zahme Maus?“
    Frau Tadsen brauchte nichts zu fragen
und Elke nichts zu antworten. Es war der Mutter klar, daß es die angeblich
gefangene Maus war, die auf Elkes Bett heraufspaziert war? —

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