Elke, der Schlingel
Gab es eine große
Aufregung?
Nicht im geringsten. Wohl drohte die
Mutter Elke mit dem Finger, aber sie lachte dabei. Ulf hatte es ihr damals
gleich gesagt, daß Fränzi sicher nicht Elkes richtige Maus erwischt hatte, die
würde die kleine Schwester schon zu schützen wissen. Da müßte er doch Elke
nicht kennen, wenn sie nicht Mittel und Wege fände, ihren Liebling zu
beschützen. Außerdem würde er es persönlich sehr übelnehmen, wenn sie ihrer
Minimax nicht zu helfen suchte, so gut das ging! Frau Tadsen hatte die
Mausegeschichte damit erledigt sein lassen. Mochte es sein, wie es wollte. Elke
bestärken in ihrer Mäuseliebhaberei wollte sie nicht, aber wenn die Maus noch
lebte — nun ja — Elke würde der Sache sicher bald überdrüssig werden. Außerdem
verschwand die Maus ja vielleicht eines Tages genau so plötzlich, wie sie
erschienen war. Frau Tadsen hatte bei ihrer großen Familie und bei ihrem
reichen Bekanntenkreis an mehr zu denken als an eine Maus.
Elke wandte keinen Blick vom Gesicht
der Mutter.
„Ja, Minimax ist zahm“, beantwortete sie
mechanisch die Frage der Lehrerin. „Sie frißt aus der Hand.“
„Wie heißt die Maus?“ fragte die
Mutter belustigt. „Minimax? — Sei ohne Sorge“, fuhr diö Mutter so freundlich
fort, daß es Elke wie Bergeslast vom Herzen fiel. „Du darfst deine Minimax
behalten. Du bist ja brav gewesen. Die Stelle am Arm, wo du dich damals in dem
Eisenring festgehalten hast, um das Mädel zu halten, sieht man immer noch. Da
legen wir jetzt ein Pflaster auf. Und das Pflaster heißt Minimax!“
„Oh, Mutti, danke! danke!“ überglücklich
streckte Elke beide Arme nach der Mutter aus. Aber sie hatte eine zu heftige
Bewegung gemacht, sie empfand in ihrem Bein plötzlich einen so heftigen
Schmerz, daß sie jäh die Farbe verlor.
„Elke, was ist?“ Die Mutter trat
besorgt herzu.
„Mein dummes Bein“, sagte Elke und
fügte tapfer hinzu: „Macht nichts, ich darf ja meine Minimax behalten.“
Fräulein Samtleben verstand den
Zusammenhang von dem, was sich da zwischen Mutter und Tochter abspielte,
natürlich nicht ganz, aber es wurde ihr doch klar, daß es sich für Elke um eine
Herzensangelegenheit handelte, die da geregelt wurde, und sie freute sich mit
dem Kinde, daß alles zu einem guten Ende gekommen war.
Fränzi trat jetzt ins Zimmer. Das
hatte noch gefehlt! „Mutti weiß alles, und ich darf Minimax behalten!“ rief
Elke ihr entgegen.
Die gute Fränzi war ein keckes Ding,
das so leicht nicht aus der Fassung zu bringen war, jetzt wurde sie aber doch
verlegen. Elke setzte ihre Aufklärung fort: „Minimax ist zu mir auf die
Bettdecke gekommen.“
„Das ist seltsam, nicht wahr, Fränzi?“
fügte FrauTadsen hinzu. „Sie hatten das Tier doch gefangen und der Anna
mausetot vorgezeigt. Daß auch Mäuse wieder auferstehen können von den Toten,
wußte ich noch gar nicht!“
Fränzi zog es vor, das Zimmer schnell
wieder zu verlassen.
Aber keine Sorge, auch für die
gutmütige Fränzi zog die begangene Täuschung nichts Schlimmes nach sich. Wohl
blies Anna ihr in der Küche so den Marsch, daß sie schließlich zu weinen
anfing, aber Frau Tadsen trug ihr nichts nach, sondern sah das Ganze als eine große
Kinderei an.
Ja, es war mit Minimax alles zu einem
guten Ende gekommen, und Ulf hatte mal wieder Gelegenheit zu einem kleinen
Triumph: „Na, hab’ ich’s nicht gleich gesagt, daß Elke ihre Maus nicht im Stich
lassen würde?“
Onkel Bernhard sagte zu Elke: „Du hast
dir das Leben viel zu schwer gemacht! Wenn du Mutti gleich alles gesagt
hättest, wäre alle Angst um Minimax nicht nötig gewesen.“ —
Drei Tage später fand eine richtige
Volksversammlung in Elkes Zimmer statt. Zwölf Mitschülerinnen waren da und
außerdem Jens und Gisela, Jens mit einer Mandoline und Gisela mit einer Laute
bewaffnet. Die Wäschekommode war hinausgeräumt worden, damit das an sich schon
geräumige Zimmer noch mehr Platz bot.
Es gingen große Dinge vor sich!
Das Stummelschwänzchen hatte nächstens
dreißigjähriges Dienstjubiläum, und das sollte gefeiert werden. Elkes Sexta
hatte eine Klassenlehrerin, die gerne mit den Kindern alle möglichen Feste
feierte. Frühlingsanfang, Mittsommer, Herbstanfang, Advent, alles wurde mit
Liedern und mit Blumen- oder Tannenschmuck festlich begangen. Auch die
Geburtstage der Kinder wurden natürlich nicht sang- und klanglos abgetan,
sondern es wurde ein Glückwunschgedicht aufgesagt, und der Platz des
Geburtstagskindes blieb den
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