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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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rechtes Wetterglück behielten.

    Viertes Kapitel

DIE SPIELSCHAR ROBINSON

    Eine ganze Woche ist inzwischen vergangen, und die Mädel sind so braun geworden, daß sie sich manchmal im Spiegel selber kaum wiedererkennen. Bei Ruth hat es am längsten gedauert, bis sie die richtige „Seefarbe“ hatte. Es schien, als wenn ihre Haut sich nur röten, aber nicht braun färben konnte. Das wurde am vierten Tag anders. Da erschien auch bei ihr die ersehnte goldfarbene Tönung.
    Die Mädel haben sich eine große, ganz wunderschöne Burg geschaufelt. Ja, eine. Von dem Gedanken, zwei zu bauen, sind sie doch wieder abgekommen. Sie waren froh, als sie eine fertig hatten. Das Wahrzeichen der Burg ist eine hohe Bambusstange, über die der Holzpantoffel gestülpt ist, den Elke gleich am ersten Vormittag gefunden hat. Die Burg ist tadellos rund geraten, und das Blumenmuster aus Muscheln ist auch ganz hübsch. Allerdings — einige Burgen von den Jungens haben Wappen und Tiere und Inschriften als Verzierung, dagegen sticht ihre ziemlich ab, aber nun — schließlich kann ja nicht jeder die schönste Burg haben. Einen Strandkorb haben sie jetzt auch, wissen aber eigentlich gar nicht wozu, denn sie wollen doch nicht langweilig im Strandkorb sitzen. Lesen? Lesen kann man auch zu Hause. Vielleicht ist der Strandkorb bei Regenwetter ganz praktisch. Die Kleider liegen im Trockenen, während man badet.
    Unsere vier kennen jetzt schon viele Kinder. Beim gemeinsamen Baden und Ballspielen wird man ja schnell gut Freund miteinander. Elkes Robinsonpläne haben auch neues Leben gewonnen, denn Piet, der lange Piet, auf den alle hören, hat gesagt, das ist gar kein schlechter Gedanke von Elke, da läßt sich was draus machen.
    Erstmal jedoch ist Piet mit seinen Eltern für zwei Tage nach Westerland auf Sylt gefahren, um dort seinen Onkel zu besuchen, aber wenn er zurückkommt, dann- -
    Elke freut sich schon sehr auf Piets Rückkehr.
    Die Mädel lernen durch Frau Brunkhorst den alten Vater Dubbelkorn kennen.
    Er ist ein Sonderling, vor dem sich viele ein wenig fürchten. Nicht, daß er zum Fürchten aussähe — nein, er sieht eher lustig aus. Er ist ein kleiner, zierlicher Mann und hat trotz seiner achtzig Jahre noch dichtes, dunkelbraunes Haar. Seine Augenbrauen sind schlohweiß und sehr struppig. Sein Mund ist fast so kreisrund wie bei einem Fisch, und seine Nase hat eine regelrechte Kartoffelform. Er behauptet, das käme daher, daß seine Vorfahren jahrhundertelang von Fisch und Kartoffeln gelebt hätten. So was müßte ja schließlich abfärben.

    Das Haus, in dem Vater Dubbelkorn wohnt, nennt er selber den Backofen. Weil es nämlich nicht viel größer ist als jene länglichen, gemauerten kleinen Häuschen, die man noch manchmal auf dem Lande sieht und die zum Brotbacken gebraucht werden. Vater Dubbelkorn ist mit seinem „Backofen“ zufrieden. Der ist leicht sauber zu halten und wird im Winter schnell warm, das ist ihm die Hauptsache, denn er lebt allein und versorgt sich selbst. Zum Lachen ist es, wenn er von den riesenhohen Häusern in Amerika schwärmt — es gibt nichts Großartigeres auf der Welt. Dubbelkorn wanderte mit dreißig Jahren nach Amerika aus und verbrachte über drei Jahrzehnte dort, Und damit hängt es auch zusammen, daß er von vielen gefürchtet wird. Er vergleicht nämlich alles mit Amerika: das Wetter, die Häuser, die Straßen, das Brot, die Menschen — alles ist in Amerika viel besser — und wer mag das immer hören! Wer ihn nicht genauer kennt, fragt sich, warum er denn überhaupt wieder aus Amerika zurückgekehrt ist. Die Wahrheit ist die: er hat trotz seiner Bewunderung immer an Heimweh gelitten, und sowie er so viel Ersparnisse zusammen hatte, daß er wußte, er konnte in der Heimat bescheiden leben, da fuhr er wieder nach Hause.
    Im übrigen ist der alte Dubbelkorn ein Helfer in vielen Nöten: Handkarren, Körbe, Puppen, Ledertaschen, Werkzeuge — es gibt kaum etwas, was er nicht wenigstens notdürftig heilmachen könnte. Außerdem ist er ein sehr guter Menschenkenner, und schon mancher ist in verzweifelter Lage zu ihm gekommen, um seinen Rat zu hören. Seine Wahrheiten sind allerdings oft alles andere als angenehm, aber er trifft den Nagel oft auf den Kopf.
    Die Kinder gehen an jenem Nachmittag mit Frau Brunkhorst zu Dubbelkorn, um ihm einen Teekessel zum Heilmachen zu bringen. Der alte Sonderling begrüßt die Ankömmlinge, indem er sich erst die Hände an den Hosen abwischt und dann jedem die Hand reicht.

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