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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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und Lotti sitzt da und schreibt einen Brief an ihre Tante — die freigebige Tante, die ihr das viele Taschengeld mitgegeben hat und die ihr auch jetzt laufend Geldscheine schickt.
    „Wieso soll die Uhr denn gleich gestohlen sein“, tut Lotti gleichgültig. „Elke hat sie wahrscheinlich verloren oder sonstwie vertrödelt. Die Uhr wird sich schon wieder anfinden. Vielleicht liegt sie ja überhaupt irgendwo in ihrer Stube.“
    „Das ist ausgeschlossen”, widerspricht Ruth. „Wir haben alle gesehen, daß Elke die Uhr heute nachmittag umhatte. Renate Timm hat Elke noch gefragt, ob ihre Uhr richtig ginge und ihre danach gestellt.“
    Lotti denkt in diesem Augenblick: schön, daß ich es doch nicht getan hab’! Und damit meint sie, daß es gut war, daß sie vorhin nicht dazu gekommen ist, die Uhr in Elkes Nachttischschieblade zu legen, wie sie sich das eigentlich vorgenommen hatte. Wenn, wie Ruth sagt, alle gesehen haben, daß Elke die Uhr umhatte, wäre es zu auffällig gewesen, wenn sie plötzlich in der Nachttischschieblade lag.
    Ruth erzählt dann auch noch, daß Piet und Elke zuerst gedacht haben, daß Michael die Uhr in den Sand hat fallen lassen, und sie haben deshalb die ganze Burg durchgeschaufelt. Aber es ist wohl doch die alte Frau gewesen, die immer Moosbeeren sammelt — die hat die Uhr geklaut, meint Piet. Vielleicht auch jemand anders — man kann es nicht wissen,
    Lotti fühlt sich innerlich nicht beunruhigt. Sie hat die Uhr ja nicht gestohlen, ist ihre Meinung. Sie hat sie nur weggenommen, um Elke zu ärgern — was ist dabei Schlimmes! Sie macht sich nicht klar, daß Schlimmeres bereits gefolgt ist: weil sie jetzt nämlich dazu schweigt, daß andere verdächtigt werden.
    Aber das alles ist erst der Anfang. Wenn Lotti nicht heute noch den Mut findet, ihren „Streich“, wie sie ihre Tat bei sich selber nennt, einzugestehen, dann wird eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen folgen, in der sie früher oder später sich selber verfangen muß.
    Findet sie den Mut?
    Nein, sie findet ihn nicht.

    Sechstes Kapitel

REGENWETTER UND HUNDERT KANARIENVÖGEL

    Ein paar Tage später wacht Elke morgens vorzeitig auf. Der Wind heult ums Haus, und wie aus Eimern geschüttet klatscht der Regen an die Fensterscheibe.
    „Du — Katje — es gießt“, sagt Elke und rüttelt die Freundin an der Schulter. „Es regnet ganz entsetzlich.“
    „Laß es doch regnen — dann schlafen wir länger“, antwortet Katje und dreht sich auf die andere Seite. Wenige Augenblicke später hört die Freundin ihre tiefen, regelmäßigen Atemzüge. Katje ist bereits wieder eingeschlafen.
    Elke horcht in den Regen hinaus. Sie denkt an Boxer. Der steht bei dem furchtbaren Wetter jetzt mutterseelenallein irgendwo in den Dünen, denkt sie. Sie haben in den letzten Tagen so schön mit ihm gespielt, und das Futter, das sie für ihn von den Wattwiesen geholt haben, mochte er schrecklich gern. Er wartet auf sie — bestimmt, aber wenn es so weiter klatscht, gehen sie heute doch gar nicht hin zu ihrer Burg. Es ist ein weiter Weg, und zuerst geht es lange querfeldein durch die Heide. Man kriegt so nasse Füße.
    Elke versucht nun, es Katje nachzumachen und auch wieder einzuschlafen. Es ist ja eben erst sechs, und sie können noch lange liegenbleiben. Vor neun brauchen sie ja nicht zum Frühstück unten zu sein.
    Aber es gelingt Elke nicht, wieder einzuschlafen, und so nimmt sie sich schließlich einen Briefblock vor, um einen Brief zu schreiben. An wen soll sie schreiben? Ihre Eltern haben erst gestern einen langen Bericht gekriegt, und die Geschwister schreiben ihr auch nicht, wenn sie verreist sind. Fränzi hat vorige Woche eine Karte bekommen, die alte Frau Seyderhelm auch — Onkel Bernhard ist wieder mal in Schweden, und sie weiß seine Anschrift nicht mehr — na, da bleibt nur Ali übrig, ihr Drahthaar-foxel Ali. Sie hat seit vorgestern sowieso noch eine Scheibe Mettwurst liegen, die sie ihm schicken will.
    Elke schreibt: Liebster Ali! Damit Du nicht denkst, ich bin verrückt und schick Dir bloß ein Stück Papier, riech bitte erst mal an der Wurstscheibe. Deine Elke hat sie sich beim Abendbrot ganz schnell und heimlich vom Teller auf den Schoß geschubst. Laß sie Dir schmecken. Hier in Haus Halligblume haben die Leute keinen Hund, und die Abfälle kriegen immer die Schweine, auch die Knochen. Aber manchmal bettle ich mir in der Küche einen Knochen ab, den schenk ich dann Taps. Taps ist ein ganz weißer, zotteliger Hund, bloß sein

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