Elke im Seewind
reinem Eigensinn herumliefe und sich langweilte. Etwas seltsam ist nur, daß sie mit ihren neuen Freundinnen so auffallend gern in dem abgelegenen Teil des Dünengeländes spazieren geht, wo Robinsons ihre Burg haben. Irgend etwas scheint sie doch hinzuziehen zu den verschmähten Spielkameraden. Aber Elke macht keinen Versuch mehr, Lotti umzustimmen, seitdem sie das letztemal nur ein hochmütiges Gesicht als Antwort bekommen hat.
Da geschieht wenige Tage später folgendes: Die Robinsonleute und die Wilden haben bereits mehrere Überfälle aufeinander abgeschlagen, und der arme gefesselte Schwarze, der aufgefressen werden sollte, ist schon von Robinson befreit worden und heißt nun Freitag. Lotti schlendert nachmittags ganz allein in der Nähe der Robinsonburg durch die Dünen. Hat sie sich etwa mit ihren neuen Freundinnen auch schon überworfen? Vielleicht.
Die Robinsonburg liegt ganz verlassen da. Piet, Elke und Freitag sind weggegangen, um auszukundschaften, was die Wilden heute tun, und Michael hat seinen „Wächterberg“ bestiegen. Ganz an seine Aufgabe hingegeben, späht er unverwandt in die Richtung, aus der die Wilden jedesmal kommen. In der Burg liegt das Hab und Gut der Familie Robinson auf einem Haufen. Der ist zugedeckt mit Piets großem gelben Badehandtuch, und obendrauf liegt Elkes hübsche viereckige Armbanduhr, die sie vorhin beim Weggehen noch im letzten Augenblick rasch abgelegt hatte, damit die Form des Armbandes sich nicht wieder so in ihren Arm einbrannte.
Lotti kommt langsam immer näher an die Pantoffelburg heran. Michael würde sie nicht sehen können, auch wenn er sich jetzt zur Burg umwendete. Der Schutzwall ist zu hoch. Wer aus der Richtung des Kiefernwaldes kommt, ist, vom Wächterberg her gesehen, gedeckt.
Lotti besieht sich genau, wie Robinsons ihre Burg eingerichtet haben. Richtige Sitze und einen kleinen Tisch haben sie sich gemacht. Auf einem Sitz liegt sogar Seegras. Das soll wohl ein Polster sein. Da bemerkt Lotti auf dem zugedeckten Haufen Sachen Elkes Armbanduhr. Wie die Uhr so einfach daliegt, denkt sie. Die kann doch jeder wegnehmen, der sie gerade sieht. Plötzlich beginnt Lotti, sich nach allen Seiten hin vorsichtig umzublicken. Sie hockt sich nieder, kriecht auf dem Bauch an die Uhr heran und nimmt sie dann blitzschnell an sich. Danach schleicht sie, tief bis auf den Sand hinabgeduckt, sich rasch fort. Weit und breit ist tiefe, unberührte Stille. Michael auf seinem Wächterberg hält gewissenhaft Ausschau nach den Wilden. Große, silberweiße Möwen segeln still über die besonnte Dünenlandschaft.
Als Lotti sich in Sicherheit weiß, legt sie die entwendete Uhr in ihre Handtasche aus rotem Wachstuchstoff. Was sie mit ihrem Raub will, weiß sie nicht. Sie besitzt ja selber eine Uhr. Sie hat die Uhr genommen, damit Elke sich ärgert. „Die unfehlbare Elke hat ihre Uhr verloren! Sieh bloß mal einer an — so was kann Elke also auch!“ Die neidische Lotti sonnt sich in der Hoffnung, daß hinter der Nebenbuhlerin so hergesprochen werden wird.
Als Lotti schließlich mitten in den Heidedünen angelangt und damit weit, weit weg von der Robinsonburg ist, nimmt sie die Uhr wieder aus der Handtasche und besieht sie sich. Es ist eine hübsche Uhr. Elke hat sie im vorigen Jahr von Achim, dem Sohn auf dem Sonnenhof, geschenkt bekommen, hat Katje ihr erzählt. Elke wird sich bestimmt furchtbar ärgern, daß sie. die Uhr nicht mehr hat. Lotti denkt nicht darüber nach, was mit der Uhr weiter geschehen soll. Sie hat die Uhr weggenommen, sie hat sie gestohlen, auf gut deutsch gesagt — was soll mit der gestohlenen Uhr werden? Lotti stellt darüber keine Überlegungen an.
Michael verspürt Durst und beschließt, schnell mal in die Burg zu gehen, um einen Schluck zu trinken. Eine große Flasche voll Wasser haben sie immer mit. Das ist „Quellwasser’, das Robinson sich jeden Tag frisch von einer Felsenquelle holt! In Wirklichkeit stammt es natürlich aus einem Wasserhahn seiner Pension. Michael packt den gelb zugedeckten Haufen ab, findet die Flasche, trinkt einen Becher voll und schichtet alles sorgfältig wieder auf. Die Zipfel des Badehandtuches stopft er schön fest, damit der Wind nichts fortwehen kann.
Nach wenigen Minuten kehren Piet und Elke von ihrer Auskundschafterei zurück. Sie sind ganz begeistert. Sie haben Boxer getroffen. Er ist so zutraulich gewesen, daß sie nur bedauerten,
keinen Strick bei sich zu haben, sonst hätten sie ihn gleich mitgebracht. Es wird
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