Elke versteht das
Papierschnipsel. »Dabei war es so wohlwollend formuliert.«
»So weit kommt’s noch«, fauchte Elke. »Dass ich mich in meiner Selbsteinschätzung von dir und meinem Chef abhängig mache.«
DIE WÄSCHESPINNE
»Das kann doch jedem mal passieren«, sagte Elke und stand auf.
»Und warum stehst du einfach auf?«, fragte Schmalenbach.
»Was soll ich denn sonst tun? Warten?«
Sie konnte ja so gemein sein. Jede Frau konnte gemein sein, wenn sie ihren Mann bei einer Schwäche erwischte. Schmalenbach
hätte schreien können. Schreien vor Unglück.
Erst hörte er sie in der Küche rumoren. Dann im Bad. Er roch, dass sie sich eine Zigarette angezündet hatte. Einfach so. Als
sei nichts geschehen.
Frauen sind subtil. Es war ja sehr wohl etwas geschehen. Aber sie tat so, als sei nichts geschehen. Nun werden politisch korrekte
Naturen wie Manderscheid sofort einwenden: Aber das ist doch ein Akt der Nächstenliebe, zu der nur eine liebende Frau in der
Lage ist. In so einer schwierigen Situation zu tun, als sei nichts geschehen, um dem Partner das Gefühl zu geben, es sei wirklich
nichts geschehen, und damit seinen Schmerz zu lindern.
Manche Männer sind aber auch naiv.
Erstens gehörte schon eine gehörige Portion Selbstbetrug dazu, sich nach dem, was soeben geschehen war, von seiner Frau suggerieren
zu lassen, es sei nichts geschehen. Und zweitens: Keine Frau tut nach dem, was gerade geschehen war, wirklich so, als sei
nichts geschehen. Frauen tun nach solchen Momenten nur so, als sei nichts geschehen, damit man merkt, dass sie so tun, als
sei nichts geschehen. Das klingt jetzt in Manderscheids Ohren wahrscheinlich ziemlich verstiegen – aber Manderscheid hat sowieso
keine Ahnung von Frauen. Ein Kerl, der für Robbie Williams schwärmt und den Intellekt von Roger Willemsen erotisch findet,
sollte nicht über Frauen reden. Ein für allemal.
Jetzt begann sie auch noch die Waschmaschine auszuräumen. Mit brennender Zigarette. Manche Frauen haben überhaupt kein Stilempfinden.
Sie besorgte den Haushalt, während Schmalenbach mit geschlossenen Augen im Bett lag und darüber nachdachte, ob er überhaupt
noch ein richtiger Mann war. Fehlte nur noch, dass sie gleich die Wäschespinne im Schlafzimmer aufstellte. Aber zu einer solchen
Herzlosigkeit war nicht einmal Elke in der Lage. Es gab eben doch Grenzen.
Schmalenbach verspürte Lust auf einen Drink. Er überlegte, ob er Elke bitten könnte, ihm einen Drink zu mixen. Das hatte er
noch nie getan. Sein Respekt vor Elke war immer so groß gewesen, dass er niemals gewagt hätte, sie um so etwas zu bitten.
Dabei konnte er das durchaus erwarten. Schließlich war sie seine Frau, und er hatte fast zwanzig Jahre lang alles getan, um
sie glücklich zu machen. Bis … na ja, bis eben.
Elke kam herein. Schmalenbach stellte sich schlafend.Und wenn sie nun von selbst auf die Idee kam, ihm einen Drink zu mixen und ihm diesen ans Bett zu bringen? Womöglich noch
zusammen mit einem liebevoll geschmierten Leberwurstbrot. Schmalenbach glaubte, dass ihm diese überraschende Wendung wieder
den Glauben an ihre Beziehung zurückgeben könnte. Wo er doch so gerne Leberwurstbrote im Bett aß, sie aber Leberwurst hasste
wie andere Leute Fischgräten in der Luftröhre. Schmalenbach wagte nicht zu atmen – so gespannt war er. Dieser Moment entschied
über sein Wohl und Wehe.
»Es macht dir doch nichts aus«, hauchte sie. So sensibel konnte sie also sein.
Schmalenbach schlug erwartungsvoll die Augen auf.
Elke stellte gerade die Wäschespinne auf. Gleich neben dem Bett.
»Oder soll ich die Wäsche lieber in der Küche aufhängen?«, fragte sie unschuldig, als sie damit fertig war. »Geht’s dir nicht
gut?«
Was erwartete sie als Antwort auf so eine perfide Frage? Warum konnte sie nicht einfach in die Küche gehen, ihm ein Leberwurstbrot
schmieren und es ihm zusammen mit einem frisch gemixten Drink ans Bett bringen? Warum hatten Frauen solche Freude daran, Männer,
die sowieso litten, noch mehr leiden zu lassen?
»Vielleicht möchtest du ja noch ein wenig schlafen?«
Lachhaft. So wie er sich jetzt fühlte, würde er nie wieder schlafen können. Nie wieder.
»Ich hätte Lust auf einen Drink.« So, jetzt war es raus. Jetzt hing es einzig und allein von ihrem Einfühlungsvermögen ab,
ob sie beide eine Zukunft hatten oder nicht.
»Einen was?«
»Einen Drink.«
»Was soll das denn sein?«
»Ein alkoholisches Mixgetränk. Meistens bunt. Mit
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