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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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anschließend muss die ganze Familie sich hinlegen. Das ist wahrer Fortschritt.
    In dieser Atmosphäre entspannter Gemeinsamkeit kommendie Menschen auf Ideen, auf die sie sonst nicht kommen. So soll Einstein den entscheidenden Einfall zu seiner Relativitätstheorie
     an jenem verregneten Sonntagvormittag gehabt haben, an dem er nicht mit seinem Hund raus konnte. Gorbatschow hat sich an einem
     Sonntagmorgen entschlossen, montags nicht mehr in den Kreml zu fahren und die Sowjetunion zum Verkauf freizugeben. Bill Gates
     kam an einem denkwürdigen Sonntagmorgen nach langem und grüblerischen Blick aus seinem Fenster auf die Idee – na, auf was
     schon? Natürlich auf Windows.
    »Wie wär’s, wenn wir dieses Jahr auf Grönland Urlaub machen würden?«, fragte Schmalenbach an einem Sonntagmorgen seine Elke.
     »Man würde einmal etwas anderes sehen als die ewig gleichen Sandstrände mit den Bikinischönheiten aus der Nachbarschaft.«
    Leider macht Elke zwischen einem ganz normalen Vormittag und dem magischen Sonntagmorgen kaum einen Unterschied. Das hat etwas
     mit ihrem niedrigen Blutdruck zu tun und mit einer überreichen Lebenserfahrung, die sie gelehrt hat, mit allzu forschen Sonntagmorgen-Ankündigungen
     vorsichtig umzugehen. »Da ist mir ja der Harz lieber.«
    Schmalenbach vertiefte sich in den nächsten Artikel seiner Sonntagszeitung. Er hatte seinerseits die Erfahrung gemacht, dass
     es wenig Sinn hatte, Elkes intuitiven Widerstand gegen Innovationen mit geduldigem Argumentieren unterlaufen zu wollen. Dann
     musste er Grönland eben auf den übernächsten Sommer verschieben. Es gab genug anderes zu tun und zu bedenken. Zum Beispiel:
     »Ich habe mich dazu entschlossen, aus meinem Leben mehr zu machen.«
    »Das hört sich aber gut an«, sagte Elke, während sie eine neue Kanne Kaffee aufbrühte. »Und wie willst du das bewerkstelligen?«
    Schmalenbach ließ die Zeitung sinken. »Kann man nicht einmal eine neue Idee artikulieren, ohne dass du sie sofort in Grund
     und Boden kritisierst? Abnehmen werde ich übrigens auch.« Und er setzte, während Elke sich ein Croissant mit viel Butter und
     Honig schmierte, prophylaktisch hinzu: »Und verschone mich jetzt bitte mit deinem mechanischen ›Wie viel?‹, ›Wie?‹ und ›Weshalb?‹!
     Ein Mann muss auch mal eine Absicht bekunden können, ohne dass seine Frau ihn gleich daran erinnert, wie oft er sich das schon
     vorgenommen hat und nichts daraus geworden ist. Haben wir uns verstanden?«
    An Sonntagvormittagen erlaubt sich Schmalenbach einen etwas autoritäreren Ton als üblich. Das hat mit den Unmengen Kaffee
     zu tun und seinem damit stetig steigenden Blutdruck.
    »Abnehmen wäre gut«, sagte Elke und gähnte.
    »Findest du mich etwa zu dick?!«, fuhr Schmalenbach sie an.
    »Du sagst doch selbst, dass du abnehmen willst.«
    »Wenn ich das äußere, so ist das ein Spiel meines freien Willens. Wenn du mir aber an einem friedlichen Sonntagvormittag vorhältst,
     ich sei zu dick und müsse dringend abnehmen, so hat das den Charakter einer Zwangsmaßnahme.«
    »Übertreibst du jetzt nicht ein wenig?«
    »Welchen Mann lässt es kalt, wenn seine Frau ihm ausgerechnet nach einer ekstatischen Liebesnacht vorhält, er sei fettleibig?«
    »Erstens habe ich das nicht behauptet. Und zweitens: Von welcher ekstatischen Liebesnacht sprichst du denn?« Das war ja mal
     wieder typisch. Da saß man an seinem wohlverdienten Sonntagvormittag einträchtig zusammen und dachte Dinge, zu denen man sonst
     nie kam – und plötzlich konfrontierte Elke einen mit beleidigenden Behauptungen. Dass dabei mal wieder die Sex-Karte gespielt
     wurde, war ihre übliche Reaktion auf die Kapriolen von Schmalenbachs Geist: Da sie selbst selten zu gewagten Luftsprüngen
     fähig war, vergällte sie ihm die Freude, indem sie ihm die sexuelle Potenz absprach. Doch Schmalenbach dachte nicht im Traum
     daran, sich den Mut zu ungewöhnlichen Entschlüssen nehmen zu lassen. »Was war denn das heute Nacht, wenn es in deinen Augen
     keine ekstatische Liebesnacht war?«
    Jetzt griff sie sich auch noch zerstreut an den Kopf. »Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern.« Dieses Luder!
    »Vielleicht fällt es dir wieder ein, wenn die Nachbarn wissen wollen, warum du so laut geschrien hast?«
    Damit setzte Schmalenbach unbeirrt seine Lektüre der Rezensionen belletristischer Neuerscheinungen fort. »Kann gut sein, dass
     ich dieses Jahr noch einen Verlag eröffne. Schließlich habe ich die Mitte

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