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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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konnten wir auch mal was für ihn tun.
    »Wir haben bald noch ein zweites Kind, dann wird unsere Wohnung endgültig zu klein«, sagte die Frau des Lehrers. »Zwei Hunde, ein Kind und zwei Lehrer – mehr geht hier einfach nicht.«
    »Raum ist in der kleinsten Hütte«, sagte der Lehrer.
    »Aber hier nicht«, sagte seine Frau. »Wir brauchen eine größere Wohnung.«
    »Dafür haben wir kein Geld. Ich finde, wir sollten einfacher leben und Platz schaffen, indem wir alles Überflüssige hergeben«, sagte der Lehrer.
    »Gute Idee«, sagte seine Frau. »Dann lass uns mit dem neuen Auto anfangen. Wir kaufen ein gebrauchtes und nehmen den Rest als Anzahlung für die neue Wohnung.«
    »Das soll ein Witz sein, stimmt’s?« Die Stimme des Lehrers zitterte.
    »Im Gegenteil. Das ist mein voller Ernst. Wir könnten uns ein gemütliches kleines Holzhaus kaufen, mit einem eigenen Gemüsebeet im Garten und einer Schaukel für die Kinder.«
    »Genauso gut können wir das Gemüse vom Markt holen, und was brauchen wir dafür: das Auto«, sagte der Lehrer. »Außerdem können die Kinder sehr gut in den Kindersitzen schaukeln, jedenfalls solange sie die Gurte geschlossen lassen und nicht von hinten gegen die Vordersitze treten. Ich hab das Auto gestern frisch gewachst und dabei auch gleich innen sauber gemacht.«
    »Schon wieder?«, seufzte die Frau des Lehrers.
    Dann war es eine Zeit lang still, und wir mussten uns ducken, weil der Lehrer ans Fenster kam, um nach seinem Auto zu sehen, das auf dem Parkplatz vor dem Haus stand und in der Sonne funkelte. An der Windschutzscheibe hing ein Schild:
    Pfoten weg, sonst gibt es Arrest!
    »Du hast übrigens wieder Pusteln im Gesicht«, sagte die Frau des Lehrers.
    »Die kommen von der Arbeit«, sagte der Lehrer. »Pusteln sind für den Lehrer, was für den Arbeiter die Schwielen an den Händen sind.«
    »Ich finde, es sieht eher nach einem Ausschlag aus. Ob du gegen irgendwas allergisch bist?«
    »Höchstens gegen Dummheit.«
    »Ich dachte eher an die Hunde.«
    »Es sind genau genommen keine Hunde. Es sind Halbkojoten.«
    »Und warum trägst du immer noch diesen Kittel?«, fragte die Frau des Lehrers.
    »Das ist kein Kittel, das ist eine Uniform.«
    »Lehrer tragen keine Uniform.«
    »Aber sie sollten eine tragen. Ärzte tragen eine, Feuerwehrleute tragen eine, Polizisten und Pfarrer tragen eine, Taxifahrer und Piloten tragen eine, sogar die Weihnachtsmänner tragen eine Uniform – nur wir Lehrer nicht.«
    »Der Lehrerberuf ist eine Berufung. Dafür braucht es keine Uniform.«
    »Und kein vernünftiges Gehalt«, sagte der Lehrer und lachte, aber es klang ganz schön gekünstelt.
    »Dann zieh das Ding wenigstens zu Hause aus! Das Kind und die Hunde fürchten sich ja vor dir.«
    »Unsinn! Pass auf, ich beweis es dir ... Na komm, komm auf Papas Schoß! ... Komm Hoppe-hoppe-Reiter machen! ... Dann eben nicht! … Koj, Ote – hierher!«
    »Hierher!«, rief der Lehrer noch einmal, dann hörte man es leise rumpeln.
    »Wollt ihr wohl unter dem Bett vorkommen!«, rief der Lehrer. »Alle drei! … Jetzt kommt schon! … Es gibt Würstchen! … Da, seht ihr: zwei Würstchen und ein Gummihuhn!«, lockte der Lehrer. Dann seufzte er und sagte: »Na schön, ich zieh ihn aus.«
    »Gute Idee«, sagte seine Frau. »Und wenn du schon mit den Hunden spielst, kannst du auch gleich mit ihnen Gassi gehen.«
    Wir mussten ganz schön flitzen, damit wir es vor dem Lehrer zu dem Felsen schafften. Dass er da hinwollte, war ja klar. Oder jedenfalls wollten Koj und Ote hin, und die beiden waren schon vor seiner Krankheit stärker als er. Wir ärgerten uns nur ein bisschen, dass wir nicht daran gedacht hatten, uns zu verkleiden. Nur Mika hatte sein Batman-Kostüm an. Der Umhang war nämlich nach zweimal Waschen wieder sauber.
    Von oben auf dem Felsen konnte man fast bis zu dem Haus sehen, in dem der Lehrer wohnte. Deshalb sahen wir auch gut, wie Koj und Ote ihn quer über die Straße in ein Brennnesselgestrüpp und dann hinter einem Hasen her in ein Getreidefeld zerrten. Dort verloren wir den Lehrer kurz aus den Augen, weil er stolperte und hinfiel, aber danach konnten wir genau sehen, wo die drei waren: immer dort, wo ein unsichtbarer Tornado das Getreide abknickte.
    Irgendwann kamen ganz am Ende des Feldes erst ein zickzack laufender Hase ins Freie geschossen und dann zwei Hunde, die eine eingestaubte Gestalt hinter sich herzogen. Das musste der Lehrer sein, den die Hunde jetzt einen kleinen Abhang hinunter in den Park

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