Ellas geheime Traeume 1&2
keinen Menschen mehr näher an sich heran gelassen als notwendig. Was hat diese kleine Sekretärin in mir ausgelöst, fragte er sich, dass ich von diesen Grundsätzen abgewichen bin?
Seine Blicke schweiften über die Parkanlagen auf der anderen Seite der Glaswand. Auf künstlich angelegte Seen schimmerte das vergehende Sonnenlicht des Winters, und beinahe meinte er, an einem der Ufer, auf einer Holzbank, einen kleinen Jungen mit hängenden Schultern sitzen zu sehen. Er schien nachdenklich auf das Wasser hinauszuspähen, als seien dort Schiffe und als ertöne dort das Horn eines großen Kreuzfahrtschiffs, das ihn aus seinem Elend hole und mit auf große Fahrt nähme.
„Gut, dass sie mich gleich angerufen haben“, sagte Moleski zwischen zwei Bissen zu Ella, die ihm in einem kleinen Café in der Nähe ihres Büros gegenübersaß. „So bleibt uns umso mehr Zeit für die Vorbereitungen.“
„Alan holt mich morgen Abend ab. Er sprach von einer Party – als ich gefragt habe, wer denn der Gastgeber sei, hat er daraus ein großes Geheimnis gemacht.“
„So, so“. Kevin Moleski kratzte sich am Kinn und sah ein wenig besorgt aus. „Das ist natürlich insofern ungünstig, als dass wir vor Ort kein Überwachungsteam positionieren können. Aber das werden wir sicher irgendwie anders lösen können.“
„Sie sprachen heute Morgen von einer Zusammenarbeit mit der Sitte. Um was genau geht es denn da?“
Moleski sah aus, als wolle er sich vor der Beantwortung dieser Frage drücken, weshalb sie sofort hinterherschob: „Immerhin begebe ich mich, wie sie so schön sagten, in eine ‚Gefahrensituation’. Da will ich zumindest wissen, worin die Gefahr besteht.“
„Also gut. Es geht um Prostitution im Rahmen von Privatfeiern, was ja für sich genommen erstmal keine große Sache wäre.“ Er räusperte sich. „Wir haben allerdings Hinweise darauf, dass sich hier in Regenheim ein Ring von Menschenhändlern breitgemacht hat, der auch nicht davor zurückschreckt, minderjährige Mädchen aus dem Ausland für sich… für sich ‚arbeiten’ zu lassen. Keine Ahnung, ob Lancefield diese Dienste ebenfalls in Anspruch nimmt, aber das Umfeld ist identisch, und mit etwas Glück können Sie für uns etwas beobachten. Sofern Sie so tun, als nähmen sie keine Notiz von dem Geschehen, dürfte es nicht allzu riskant für Sie werden – allerdings würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, die ganze Sache für ungefährlich zu halten. Ich kann verstehen, wenn Sie aus der ganzen Nummer heraus wollen, und ich kann Sie auch nicht dazu zwingen, mir weiterhin zu helfen.“
Ella machte große Augen, dachte kurz nach. Dabei beobachtete sie die jungen Mädchen, die sich in kleinen Gruppen um die anderen Tische des Cafés tummelten und ihre Schulpause bis zur letzten Sekunde genossen. Sie wirkten unbeschwert, lachten und unterhielten sich. Sie wandte sich wieder Moleski zu, der gerade dabei war, seine zweite Sahnerolle zu verspeisen.
„Auf keinen Fall steige ich jetzt aus. Das könnte ich mir niemals verzeihen.“
Der Kommissar lächelte anerkennend, legte die Kuchengabel beiseite und leckte sich ein wenig Sahne aus dem Mundwinkel, bevor er etwas aus seiner Tasche zog und es Ella hinhielt.
„Dieser kleine Gegenstand“ sagte er in verschwörerischem Ton, „wird uns helfen, die nötigen Beweise zu sammeln…“
„Da bist du ja“, flüsterte Federico, als er Ella am Abend die Tür öffnete. Ihre Nase war rot vor Kälte, und mit ihrer Strickmütze und den feuchten Haarfransen, die ihr darunter in die Stirn ragten, sah sie so ulkig aus, dass sein Gesicht einen belustigten Ausdruck annahm. So, wie sie in diesem Moment aussah, war sie ganz die alte Ella – die mit den struppigen Haaren, dem verlegenen Lächeln und der blind aus dem Schrank gegriffen wirkenden Kleidung. Ihr Lächeln wurde noch verlegener, als sie sein Grinsen bemerkte. Hastig streifte sie die nasse Mütze ab und hielt sie unschlüssig in der Hand. Ihre Unsicherheit gab dem Designer Mut, und hilfsbereit griff er nach dem Kleidungsstück. „Deine Jacke kannst du mir auch gleich geben – ich hänge alles im Wohnzimmer über die Heizung.“
Ella nickte und zog die Jacke aus, um Federico in die Wohnung zu folgen. Sie musste ihrerseits lächeln als sie sah, wie ehrfurchtsvoll er mit ihren Sachen umging, zumal es sich nicht um teure Stücke von Alan, sondern um ihre übliche Discounter-Kluft handelte. Er tut das, weil er mich mag, dachte sie. Wie groß war doch der Kontrast
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