Elli gibt den Loeffel ab
an. »Mein Vater und die Mafia.« Er musste herzhaft lachen. Kopfschüttelnd stellte er die letzten Gläser auf ein Tablett. »Das möchte er wohl gern. Fabrizio, mein Vater hat genauso wenig mit der Mafia zu tun wie ein in China am Straßenrand stehendes Fahrrad mit den Kursgewinnen der Apple-Aktie an der New Yorker Börse.«
Fabrizio erweckte im flackernden Schein des Kerzenlichts den Eindruck, als hätte man ihm eben den Teppich unter den Füßen weggezogen.
»Ohne Witz. Mein Vater ist total harmlos. Er spielt nur gerne mit Leuten und am liebsten mit Klischees.«
Fabrizio war offenkundig fassungslos.
»So ein Mistkäfer.« Elli brachte es auf den Punkt.
Was für eine großartige Idee, den schönen Abend bei einem gemeinsamen kurzen Spaziergang um die Casa Bella ausklingen zu lassen. Gassi gehen mit Oskar, der wie ein Wiesel den parallel zur Straße verlaufenden Weg durch die Limonenplantage entlanghuschte. Elli machte sich klar, dass sie die schicksalhafte Wendung zu ihren Gunsten letztlich allem Heinz zu verdanken hatte. Ohne sein Drängen hätte sie die Briefe ihrer Mutter nicht noch einmal durchgesehen, geschweige denn irgendwelche Laborberichte.
»Ohne dich wäre ich vermutlich schon abgereist. Danke für deine Hilfe«, sagte sie und blieb vor einem der schönen Bäume stehen.
»Gern geschehen. Ich bin froh, dass sich alles zum Guten gewendet hat«, erwiderte er mit zuversichtlichem Lächeln.
Elli hoffte, dass er entgegen seinen Plänen noch eine Weile bleiben würde. Wieder verspürte sie dieses vertraute Gefühl, das sich schon in Florenz eingestellt hatte. Elli ertappte sich sogar bei dem Gedanken, Heinz vielleicht doch auf seiner weiteren Reise zu begleiten. Was hatte sie schon zu verlieren? Mit dem Geld aus der Erbschaft war sie aut einen Schlag schuldenfrei. Ihr Leben war sowieso schon auf den Kopf gestellt, und die Videothek mit Mitteln aus dem Erbe künstlich am Leben zu erhalten, ergab keinen rechten Sinn.
»Reist du wirklich schon morgen ab?«, fragte sie.
Heinz nickte. »Es gibt noch so vieles, was ich nicht gesehen habe.« Der Satz klang aus seinem Munde, zumal in dem traurigen Tonfall, ganz und gar nicht nach Vorfreude.
»Wie lange fährst du eigentlich schon um die halbe Welt? Bist du nie mal länger an einem Ort geblieben?«, hakte Elli nach.
Heinz schien die Frage zu überraschen. Er erweckte den Eindruck, als ob er sich die Antwort gründlich überlegen müsste. »Doch, ich hatte auch mal ein ganz normales Leben.«
»Du hast mir nie davon erzählt. Ich weiß so gut wie alles über deine Reisen, aber ich weiß so gut wie gar nichts von dir.«
Seine Miene wurde ernst. Gedankenverloren blickte er in die Nacht, griff nach einem abgebrochenen Ast und warf ihn ins Feld. Oskar rannte dem Stöckchen sofort hinterher. Heinz schien auf einmal nur noch Augen für seinen Hund zu haben. Ein klares Zeichen dafür, dass ihm das Thema extrem unangenehm war.
»Es gibt da auch nicht viel zu erzählen«, sagte er schließlich. »Ich habe ein ganz normales bürgerliches Leben geführt, das ich gegen die Freiheit eingetauscht habe.«
Warum sah er sie nicht an, sondern tätschelte stattdessen Oskar, der gerade das Stöckchen zurückbrachte? Die Antwort war enttäuschend. Sie hatte sich ihm gegenüber geöffnet, und er gab aus irgendeinem Grund nichts von sich preis. Elli spürte, dass er sie nicht näher an sich heranlassen wollte. In Florenz hatte er sie noch gefragt, ob sie ihn begleiten wolle, und nun fühlte es sich an, als stünde eine Mauer zwischen ihnen. Vielleicht war es reiner Selbstschutz, weil sie ihm schon an ihrem letzten Abend in Florenz klargemacht hatte, dass sie ihn nicht begleiten würde? Es schien, als hätte Heinz sich damit abgefunden, dass sich ihre Wege morgen trennten. Was blieb ihr schon anderes übrig, als seinen Wunsch nach Freiheit zu akzeptieren?
Stumm liefen sie weiter und kehrten nach einer Weile in die Casa Bella zurück.
»Mama, es ist absolut nicht unvernünftig.« Anja konnte überhaupt nicht verstehen, warum ihre Mutter sich ihrem durchaus ernst gemeinten Vorschlag gegenüber so beharrlich verschloss, was an ihrer Körperhaltung abzulesen war.
Ihre Mutter saß mit verschränkten Armen in einem der Korbsessel auf dem Balkon ihres Zimmers. Klare Abwehrhaltung. Sicher, ein gewisses wirtschaftliches Risiko war nicht zu leugnen, aber immerhin hatte sie Paolo nun an ihrer Seite. Dies müsste selbst ihrer Mutter einleuchten.
»Anja, ich habe zeit meines Lebens auf
Weitere Kostenlose Bücher