Elli gibt den Loeffel ab
etwas Beunruhigendes. Auf alle Fälle sah es nicht danach aus, als ob sie sich über ihr Erscheinen freute.
»Doro, setz dich doch zu uns«, begrüßte Elli sie mit der Freundlichkeit einer Gastgeberin.
»Mama, du musst diesen capresischen Wein unbedingt probieren und mit uns anstoßen.« Auch Anja war die gute Laune selbst. »Es gibt was zu feiern.«
Also doch! Kaum kehrte sie der Casa Bella für ein paar Stunden den Rücken, gerieten Dinge in Bewegung — und vermutlich auch noch außer Kontrolle.
»Wir haben uns versöhnt.« Anja drückte ihrem Paolo einen Kuss auf die Wange und danach gleich noch einen auf den Mund. Wie frisch verliebt!
Dorothea musste sich setzen und war mehr als dankbar, als Fabrizio ihr gleich ein Glas Wem einschenkte. Hoffentlich setzte Anja sich jetzt nicht wieder ihre Pension auf Capri in den Kopf. Diese war mit dem heutigen Vorvertrag nämlich passe.
»Schön, dass ihr euch wieder vertragt«, würgte sie förmlich heraus.
»Das finde ich auch.« Paolo hob sein Glas.
Eine Runde anstoßen war angesagt. Immerhin hatte sie ebenfalls einen Grund zum Feiern, also warum eigentlich nicht? Letztlich freute sie sich für Anja, auch wenn sie nach wie vor davon überzeugt war, dass ein Mann wie Paolo zu ihrer Tochter passte. Die Liebe ging oft unergründliche Wege. Wenn Paolo es wirklich ernst meinte, und diesen Eindruck hatte sie im Moment, wollte sie den beiden nicht im Weg stehen. Allerdings hatte Anjas Glück — die eine Seite der Medaille — noch keine Kehrseite, nämlich dass sich aus der Verbindung zu Paolo eine familiäre Bindung zu Roberto de Andre ergab.
Dieser Gedanke hatte so viel Sprengkraft, dass Dorothea das ganze Glas auf einen Schlag leerte. Was soll’s?, dachte sie. Es gibt Schlimmeres auf der Welt. Die meiste Zeit würde sie ab jetzt sowieso auf irgendwelchen Luxusdampfern in der Karibik verbringen. Fabrizio füllte ihr Weinglas dankenswerterweise sofort wieder auf. Mit dem ersten Glas im Blut hatte sie nun genug Mut, um den Anwesenden von ihrem Treffen mit Roberto zu berichten. Die Nachricht schmeckte Elli ganz bestimmt nicht, aber wann, wenn nicht jetzt, hatte sie schon die Gelegenheit, dass alle zusammensaßen?
»Es gibt auch von meiner Seite Positives zu berichten«, begann Dorothea. »Ich konnte mich mit Roberto einigen.« Die konkrete Summe ging niemanden etwas an. Wichtig war nur, dass nun die Besitzverhältnisse geklärt waren. »Wir haben schon einen Vorvertrag ausgehandelt.«
Dass Anja angesichts dieser Neuigkeiten so ruhig und gelassen blieb, überraschte Dorothea. Sie hätte schwören können, dass ihre Tochter zumindest etwas nachdenklich reagieren würde. Spielte sie etwa nicht mehr mit dem Gedanken, die Pension weiterzuführen? Hatte Paolo ihr vielleicht einen ganz anderen Floh ins Ohr gesetzt? Womöglich machte Anja die Liebe aber auch nur wunschlos glücklich. Elli, und dies überraschte Dorothea noch viel mehr, schien ebenfalls eher unbeeindruckt. Sie wechselte einen fast schon amüsierten Blick mit Heinz, was Dorothea schlagartig nicht nur beunruhigte, sondern regelrecht beängstigte.
»Ich fürchte, Doro, wir haben da jetzt ein kleines Problem«, sagte Elli, und ihre Stimme klang trockener als Fabrizios Wein.
Heinz nickte. Die anderen sahen sie erwartungsvoll an, und zwar so, als wüssten sie bereits von diesem »kleinen Problem«.
»Wir haben einen Laborbericht gefunden. Papa, also ich meine Gustav, kann auch nicht mein Vater sein.«
»Die Blutgruppen passen nicht zusammen«, fügte Heinz hinzu.
Nun bereute Dorothea es doch, das Glas Wein so schnell heruntergekippt zu haben, denn ihre Gedanken überschlugen sich unkontrollierbar. Ruhe bewahren!, sagte sie sich. Nur weil Gustav vielleicht nicht Ellis Vater war. hieß das noch lange nicht, dass Alessandro es sein musste. Wer wusste schon, mit wem ihre Mutter sich sonst noch amüsiert hatte. Andererseits lag die Vermutung sehr nahe, was jedoch auch hieß, dass sie ihren alleinigen Anspruch verlor. Roberto würde mit ihr allein keinen Vertrag mehr schließen, so viel stand fest.
»Ich hab dir den Bericht auf die Anrichte in deinem Zimmer gelegt«, sagte Elli.
Bildete Dorothea sich das nur ein, oder sahen sie alle mit einer Mischung aus Mitleid und Amüsement an? Aus Ellis Blick sprach jedenfalls eine ordentliche Portion Genugtuung, und dies konnte sie ihrer Schwester nicht einmal verübeln. Auf der Anklagebank zu sitzen, darauf hatte sie trotzdem keine Lust. Erst musste der Inhalt des Briefes
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