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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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genauestem studiert werden. Am besten gleich. So früh am Abend Müdigkeit vorzuschützen, zumal sowieso jeder wusste, dass sie vor Neugierde fast platzte und den Brief lesen wollte, wäre lächerlich. In solchen Situationen half nur die Wahrheit.
    »Also, das interessiert mich jetzt. Ihr entschuldigt mich«, sagte Dorothea und stürmte in ihr Zimmer.

    Es war wie in alten Zeiten in ihrer Praktikantenbude. Paolo war im Prinzip der ideale Ehemann. Er scheute sich nicht mal vor den niederen Tätigkeiten in der Küche, ganz im Gegenteil. Nächtelang hatten sie damals beim Aufräumen und Abspülen miteinander geredet. Paolo fühlte sich sehr wohl in der Küche, genau wie sie selbst. Einmal hatte er sie sogar dort geliebt, klischeehaft par excellence, wie beim Postmann, der zweimal klingelt, aber auch Klischees konnten schön sein.
    »Was, denkst du, wird deine Mutter jetzt tun?«, fragte sie, während Paolo ihr ein blitzblank poliertes Weinglas reichte und sogleich ein neues aus der Spüle nahm.
    »Sie wird sich das Geld trotzdem auszahlen lassen. Tante Elli bekommt dann eben die Hälfte.«
    »Italienische Familien halten besser zusammen. Wie kann deine Mutter nur so egoistisch sein?« Paolo schüttelte fassungslos den Kopf. »Andererseits, Ausnahmen bestätigen wohl die Regel. Sieh dir nur meinen Vater an. Rede doch einfach noch einmal in Ruhe mit ihr.«
    »In gewisser Weise kann ich sie ja verstehen. Überleg doch nur mal. Was, wenn die Pension und das Restaurant floppen? Entweder das Geld oder die Pension.«
    Paolo wirbelte in einer schnellen Handbewegung das Küchentuch hinter ihren Nacken und zog sie zu sich heran.
    »Sie wird nicht floppen. Die Leute stehen auf Bio-Tourismus. Er ist sinnvoll, und die meisten Menschen haben sowieso die Schnauze voll von Massenabfertigung. Außerdem«, sein Grinsen wurde immer breiter, »bin ich ab heute dein Kompagnon.«
    »Schön und gut, aber meine Mutter wird sich nicht darauf einlassen, und Tante Elli vermutlich auch nicht. Vielleicht ist sie auf das Geld angewiesen?«
    »Weißt du was? Mach dir einfach keine Gedanken mehr. Egal was passiert, wir haben uns.«
    Mit dem Küchentuch zu seinem Mund gezogen zu werden, hatte etwas unglaublich Erotisches. Paolo schien mit seinem Kuss ihre gemeinsame Zukunft zu besiegeln. Seine Pläne, die er ihr wild gestikulierend und voller Euphorie im Anschluss präsentierte, hörten sich gut an: eigener Anbau von Gemüse, die Limonenfelder hatten sie sowieso, die Casa Bella als nachhaltig ökologisch bewirtschaftetes Hotel mit Feinschmeckerrestaurant. Das klang gut, und zwar so gut, dass Anja ihn gleich noch mal küssen musste. Der Kuss schmeckte gut, aber der Gedanke, dass ihre Mutter nicht mitspielen würde, war so bitter, dass Anja in den Armen ihres Freundes versteifte. Machte Paolo es sich nicht ein bisschen zu leicht?
    »Was ist?«, fragte er sie erstaunt, nachdem sie sich sanft aus seiner Umarmung gelöst hatte.
    »Es ist einfach ein verdammt blödes Gefühl, wenn man zeit seines Lebens auf seine Mutter angewiesen ist«, sagte sie resigniert.
    »Aber das bist du doch gar nicht. Wir finden bestimmt etwas anderes — entweder hier oder sonst wo.«
    Anja machte sich in dem Moment klar, dass »sonst wo« eine Option war, mit der sie höchstwahrscheinlich nicht glücklich werden würde.

    Dorothea hatte sich erstaunlich schnell gefangen. Was tun? Untätig herumsitzen und Löcher in die Luft starren oder gar in Selbstmitleid zerfließen? Das kam nicht in Frage! Gut, Elli hatte diesen Laborbericht in der Hand, der nachwies, dass auch sie nicht Gustavs Tochter war. So, wie sie ihre Schwester einschätzte, bestand sie auf ihren Anteil.
    Dagegen war grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Selbst die Hälfte des Geldes war für sie beide noch mehr als genug.
    Roberto musste unbedingt über diese jüngste Wendung Bescheid wissen, und die Verträge mussten ebenfalls geändert werden. Auch wenn Dorothea nicht die geringste Lust hatte, mit ihm zu sprechen, griff sie zu ihrem Telefon. Was blieb ihr denn anderes übrig? Gut, dass er ihr nach ihrem letzten Gespräch seine Visitenkarte mit der Handynummer gegeben hatte und auch gleich zu erreichen war.
    Erstaunlicherweise reagierte Roberto ziemlich gelassen auf die neue Sachlage. Klar, ihm konnte es egal sein, ob sich die Schwestern das Geld teilten. Umso überraschender für Dorothea war, dass wohl doch so etwas wie ein Gaunergen in ihm steckte, überlegte er doch allen Ernstes, wie sie ihre Schwester in

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