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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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hünenhafte Büttel, sowie der glatzköpfige Schiffskapitän, der seinen Wanst umfasste wie eine Schwangere. Außerdem ein Schreiber, der genauso aussah, wie alle Schreiber, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatte: klein, schmächtig und bleich. Zu ihrer Rechten stand Yasu und hielt einen prall gefüllten Beutel in der Hand.
    Trotz, dass ihr die Möglichkeit gegeben wurde, eine Übereinkunft zu treffen, zitterten Ellins Knie unkontrollierbar. Nervös nagte sie an ihrer Unterlippe, biss kleine Hautfetzen ab und schmeckte das hervorquellende Blut.
    »Warum sollten wir, trotz der eindeutigen Schuld, den Vorwurf des Diebstahls fallenlassen?«, fragte der Büttel ohne Umschweife, während er einen begehrlichen Blick auf den Beutel in Yasus Hand warf.
    »Der Diebstahl geschah aus Hunger und Verzweiflung«, sagte Yasu. Ellin bemerkte, wie mühevoll sie um Selbstvertrauen und Festigkeit rang.
    »Viele Menschen hungern und jeder ist zuweilen verzweifelt, doch gibt uns das noch lange nicht das Recht zu stehlen.«
    »Aus diesem Grund biete ich euch dreißig Prasis, als Entschädigung für die gestohlenen Waren und als Wiedergutmachung. Wie ich hörte, ist dies ein angemessener Preis.«
    Die Augen des Büttels leuchteten auf und auch der Schiffskapitän konnte sich eines aufgeregten Keuchens nicht erwehren. Yasu hatte Ellin erzählt, dass ein großer Teil der Prasis in die Schatzkammern des Herrschers wandern würden und dreißig Prasis somit nur die offizielle Entschädigungssumme war, die, die der Schreiber zu Papier bringen würde. Die Summe, die darüber hinaus über den Tisch gereicht wurde, sah man als kleine Spende für die Unannehmlichkeiten an.
    Der Büttel bedeutete dem Schreiber, innezuhalten. Die Prozedur schien diesem vertraut, denn er hatte die Feder bereits beiseitegelegt. »Das ist in der Tat der übliche Preis für das Stehlen von Essen. Zeigt mir die Prasis und dann entscheidet der Bestohlene, ob er gewillt ist, sich mit einer Entschädigung zu begnügen.«
    Yasu öffnete den Beutel, zählte dreißig Münzen auf den Tisch und fügte zehn weitere hinzu.
    Der Büttel schob den verkrüppelten Arm über den Tisch und strich die Münzen in seine gesunde Hand. »Mir scheint es zu wenig. Seht ihr hier dreißig Prasis liegen?«, fragte er an den Kapitän gewandt.
    »Keineswegs«, antwortete dieser. »Habt Ihr nun genug, um Euch freizukaufen oder nicht?«
    Yasu öffnete den Beutel erneut und zählte zehn weitere Münzen ab. Diesmal strich der Kapitän sie ein. »Das waren zehn Prasis«, sagte er. »Fehlen noch zwanzig.«
    Yasu leerte den Beutel, die restlichen Münzen kullerten über das Holz. Der Kapitän sammelte sie auf und zählte sie ab. »Das sind siebzehn Prasis.«
    Ellins Herz stockte. War das genug? Er hatte zwanzig verlangt und nicht siebzehn. Was wenn die Männer jetzt so taten, als hätten sie nicht genug Münzen bei sich getragen, die Prasis einstrichen und sie wieder in den Kerker warfen?
    Ängstlich wartete sie auf die Reaktion des Kapitäns, der sie schweigend musterte. Seine Augen blitzten vergnügt, er weidete sich an ihrer Furcht.
    »Ihr habt nur siebenundzwanzig Prasis«, sagte er schließlich. »Ausgemacht waren dreißig, wenn ich mich recht erinnere.«
    Ellins Mund wurde trocken. Nervös knetete sie ihre Hände.
    »Bitte guter Mann. Habt Erbarmen. Wir haben Euch alles gegeben, was wir besitzen«, flehte sie.
    »Hattet ihr Erbarmen mit meinen hungrigen Matrosen, als ihr Euch so dreist an ihrem Essen bedient habt?«, fragte er lauernd.
    Trotz ihrer Angst verspürte Ellin den Wunsch, ihm ins Gesicht zu spucken und mit Beschimpfungen zu überschütten. Immerhin hatten der Büttel und der Kapitän siebenundsechzig Prasis eingestrichen, mehr als das Doppelte der offiziell geforderten Summe.
    »Vielleicht kann ich die fehlenden Prasis abarbeiten«, schlug Yasu plötzlich vor.
    Der Kapitän beugte sich interessiert vor. »Und wie wollt Ihr das tun, junge Frau?«
    Yasu legte den Kopf schief und lächelte scheu. »Ich bin auf einer Insel geboren und weiß, wie einsam das Leben auf See ist. Vielleicht kann ich Euch eine Nacht lang Gesellschaft leisten, um Euch die bevorstehende Zeit der Einsamkeit mit einer angenehmen Erinnerung zu versüßen.«
    Der Kapitän hob die Augenbrauen, lehnte sich zurück und faltete erneut die Hände vor dem Bauch. Er tat, als würde er nachdenken, dabei konnte selbst der Einfältigste sehen, dass er an Yasus Angel hing. Die leuchtenden Augen und der beschleunigte Atem verrieten

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