Ellin
sie den Kopf. »Ich habe alles zerstört, es tut mir leid.«
»Mach dir darüber keine Gedanken, ich werde einen Weg finden, dich hier rauszuholen«, erwiderte sie.
»Aber wie?«
»Ich weiß es noch nicht. Doch mit Sicherheit müssen wir uns von den Prasis für die Überfahrt trennen.«
»Was geschieht, wenn der Betrag nicht ausreicht?«
Yasu zögerte und biss auf ihre Unterlippe. »Dann wirst du am Gerichtstag in den Palast gebracht, wo über dein Vergehen verhandelt wird«, sagte sie schließlich.
Ellins Augen weiteten sich. »Und wie wird meine Bestrafung aussehen?«
»Einen Sternenlauf Sklavendienste auf dem Schiff des Bestohlenen, eine öffentliche Auspeitschung oder Kerkerhaft. Der Herrscher entscheidet nach Belieben darüber.«
»Kann man sich freikaufen?« Ellin erinnerte sich daran, dass Edelleute sich oft von Lord Wolfhard durch die Übergabe von Prasis oder wertvollem Schmuck von ihren Verfehlungen befreien ließen. Doch selbst wenn dies auch in Kismahelia möglich war, und sie zweifelte nicht daran, dass dem so war, so verfügte sie weder über ausreichend Prasis noch über andere wertvolle Güter, die sie zum Tausch für ihre Freiheit anbieten könnte.
»Bestechung ist immer möglich«, erwiderte Yasu. »Was glaubst du denn, wie ich in deine Zelle gelangt bin? Ein paar Prasis in die Tasche des Büttels öffneten mir die Tür.«
Ellin hob die Augenbrauen. Sie hatte angenommen, die Einzige zu sein, die über Zahlungsmittel verfügte. »Wo hattest du die Prasis her?«
Yasu lächelte schelmisch. »Glaubst du denn, ich hätte die Geschenke zurückgelassen, die mir Nosaras Gäste gaben? Allerdings hatte ich gehofft, dass wir mit dem Verkauf des Schmucks ein neues Leben beginnen können.« Sie seufzte leise.
»Oh Yasu, bitte verzeih mir. Du musst deinen Schmuck nicht wegen meiner Dummheit verkaufen.«
Yasu sah sie ernst an. »Wir haben uns im Wald geschworen, dass wir füreinander sorgen, richtig? Gefährtinnen auf Lebenszeit! Ich nehme diesen Schwur sehr ernst. Ich lasse dich nicht im Stich.«
Ellins Augen füllten sich mit Tränen. Ein neuer Gedanke schoss ihr durch den Kopf. »Was geschieht, wenn dich jemand als entflohene Sklavin erkennt?«
Yasu warf einen nervösen Blick über ihre Schulter. Der Büttel war nicht zu sehen. »Das wird nicht geschehen«, wisperte sie. »Ich hole dich hier raus. Versprochen.«
Sie versuchte, überzeugend zu wirken, doch Ellin bemerkte sehr wohl den furchtsamen Schatten, der über ihr Gesicht huschte.
Schritte näherten sich. Der Büttel trat geduckt in den Kerker. Zum ersten Mal konnte Ellin ihn betrachten. Er war ungewöhnlich groß und hatte einen eckigen, mit einem wilden Wust dunkelblonder Haare bedeckten Schädel. Sein linker Arm war kürzer als der Rechte und wirkte deformiert.
»Zeit zu gehen, werte Dame«, sagte er. Trotz der höflichen Anrede troff seine Stimme vor Herablassung. »Es sei denn, Ihr wollt Eurer diebischen Gefährtin Gesellschaft leisten.« Er lachte über seinen vermeintlich gelungenen Scherz.
Yasu und Ellin umarmten einander. »Alles wird gut«, versprach Yasu. Ellin nickte, den Tränen nahe.
»Ich weiß«, presste sie hervor.
23
K ylian verneigte sich ehrerbietig. Alles hing davon ab, ob Fortas seinen Worten Glauben schenkte, wirkte er doch weit weniger wie ein Bote als wie das, was er wirklich war. Ein Meuchelmörder, ausgesandt um den Herrscher von Kismahelia zu töten.
»Es ist löblich und überaus erfreulich, dass Nosara meiner gedenkt und mir ihre Grüße schickt. Aber warum schickt sie Euch? Ihr seid so wenig ein Bote wie mein Diener ein Herr.« Fortas’ Lippen kräuselten sich zu einem freudlosen Lächeln. Trotz seiner Männlichkeit ähnelte er Nosara weit mehr, wie Kylian es erwartet hätte. Der Körper feingliedrig und grazil, das Haar in gleicher Länge wie Nosaras, glatt und schwarz wie die dunkelste Nacht, dazu winterblasse Haut und ein altersloses Gesicht. Wie seine Schwester regierte er sein Land allein und hatte ihm zu Ansehen und Wohlstand verholfen. Das Geschwisterpaar ähnelte einander nicht nur äußerlich.
Angestrengt versuchte Kylian es sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich in die Enge getrieben fühlte. »Sie trug mir auf, Euren Besuch zu erbitten und, im Falle einer gnädigen Zusage, Euch sicheres Geleit zu geben.«
Fortas hob die Augenbrauen. »Denkt sie etwa, dass ich nicht in der Lage bin, für meinen eigenen Schutz zu sorgen und über ausreichend fähige Männer verfüge?«
»Natürlich
Weitere Kostenlose Bücher