Ellin
offene Wunde. So schnell sie konnte, trug sie ein paar halbwegs trockene Äste zusammen und schichtete sie zu einem kleinen Haufen. Ein wenig Moos diente als Anzünder. Die Feuersteine hatte sie in ihrer Tunika verstaut. Wie alles was sie am Leib trug, waren sie klamm, doch sie hoffte, dass sie ihnen trotzdem ein paar Funken entlocken würde. Immer wieder schlug sie die silbrig glänzenden Steine aneinander, so wie sie es auch in ihrer Kammer tat, wenn sie ein Feuer entfachen wollte, ohne dafür einen aus dem Gesinde zu rufen. Nach einer Weile gelang es ihr tatsächlich, den Steinen ein paar Funken zu entlocken. Sie fielen auf das Moos und entfachten eine winzige Flamme. Schnell schützte Ellin den wertvollen Schatz mit ihren Händen und begann, vorsichtig zu pusten. Als das restliche Moos Feuer fing, trug sie es zu den kleineren Ästen. Da sie zum Teil ebenfalls feucht waren, entwickelte sich eine nicht unerhebliche Menge Rauch, der einen heftigen Hustenanfall auslöste. Doch die stürmischen Flammen, die kurz darauf an den Ästen leckten, entschädigten sie für diese Qual.
Als Nächstes zerrte sie einen großen Ast neben das Feuer und hängte ihre Kleidung auf. Anschließend ließ sie sich, in ihren Umhang gehüllt, neben dem Feuer nieder und genoss die Hitze, die sie wie ein wärmender Mantel umfing. Erschöpft schloss sie die Augen und fragte sich zum ersten Mal seit ihrer Flucht, wohin sie eigentlich gehen und von was sie zukünftig leben würde. Während sie noch auf der Festung weilte, war das vorrangige Ziel der Abstieg vom Hammerfels gewesen. Nun, nachdem sie diese Hürde geschafft hatte, ergaben sich neue Hindernisse, deren Überwindung nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen war. Auf jedem Fall musste sie Veckta verlassen und sich irgendwo eine Anstellung suchen. Aber wo?
Vielleicht in einer der größeren Städte. Oder sie könnte zum Land ihrer Eltern zurückkehren und den Freiherrn um Arbeit bitten, allerdings barg dies die Gefahr, von Lord Wolfhard entdeckt zu werden und Erinnerungen zu wecken, die besser verschüttet blieben. Wohin also sollte sie marschieren, sobald sie den Wald verlassen hatte? Ein Hustenkrampf ersparte ihr die Suche nach einer Antwort. Keuchend lehnte sie sich an die Baumwurzel. So wie sie sich fühlte, war es fraglich, ob sie den Wald überhaupt lebend verlassen würde.
Als sie die Augen wieder aufschlug, stellte sie entsetzt fest, dass sie eingeschlafen war. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt. Leise vor sich hin schimpfend raffte sie ihre Sachen zusammen, zog sich an, trank einen Schluck Wasser und machte sich wieder auf den Weg. Da sie nicht mehr allzu weit würde laufen können, nahm sie einen brennenden Ast zur Hand, mit dem sie später ein neues Feuer entfachen wollte. Der Husten wurde immer quälender, sie brauchte unbedingt einen Heiltrank.
Es war bereits finstere Nacht, als sie beschloss, zu rasten. Ihr Kopf pochte dumpf und ihr war heiß. Ein Griff an die Stirn bestätigte ihre Befürchtungen. Sie glühte. So schnell es ihr möglich war, entfachte sie ein Feuer und breitete ihren Umhang aus. Sie verspürte keinen Hunger, nur brennenden Durst, den sie mit ein paar Schlucken aus ihrem Wasserschlauch zu befriedigen versuchte. Dann sank sie auf den Boden und war wenige Augenblicke später auch schon eingeschlafen.
Ein seltsamer Laut stahl sich in ihre Träume. Ein leises Grollen. Schwerfällig kehrte ihr Geist in die Wirklichkeit zurück. Da erklang es erneut. Das Grollen eines Raubtiers, das Beute gesichtet hatte. Mit klopfenden Herzen lauschte Ellin in die Finsternis. Ein Hustenkrampf löste sich aus ihrer Brust. Verzweifelt versuchte sie, ihn zu unterdrücken, doch der Drang war zu stark. Prustend und nach Luft ringend setzte sie sich auf, beugte sich vor und versuchte, ihren keuchenden Atem zu beruhigen. Dann horchte sie erneut auf die Geräusche des Waldes. Zuerst vernahm sie nur das Rauschen der Baumwipfel, den Regen auf dem Blätterdach und das Rascheln kleiner Tiere. Doch dann hörte sie es. Schleichende Schritte im Unterholz, so leise, dass sie sich konzentrieren musste, um sie zu erkennen. Dann das Grollen, tief und rumpelnd, wie der Donnerschlag eines fernen Gewitters. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ein betäubender Moschusduft gemischt mit dem Geruch nach faulenden Blättern drang in ihre Nase. Starr vor Angst saß sie neben dem Feuer und starrte in die Richtung, aus der sie das Grollen zu hören glaubte.
Sie brauchte eine Waffe. Schnell. Ihr
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