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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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schnell nicht wieder legen würde. Doch was hatte das alles für einen Sinn, wenn sie in dieser elenden Höhle erfror? Niemals hätte sie sich vorstellen können, derart zu frieren. Selbst ihre Knochen schienen zu Eis erstarrt. In ihrer Verzweiflung legte sie den Umhang auf den kalten Boden, griff nach der feuchten Kleidung und deckte sich damit zu. Zusammengekauert, wie ein Säugling im Leib seiner Mutter, lag sie da und versuchte, sich selbst zu wärmen. Ihre Muskeln zitterten unkontrolliert.
    Das Tosen des Wasserfalls lullte sie ein und die Erschöpfung tat ihr Übriges. Obwohl sie befürchtete, dass sie im Schlaf erfrieren könnte, fielen ihr die Augen zu.
3
    I rgendetwas weckte sie. Kein Geräusch, eher ein Gefühl, ein leichtes Erbeben ihres Unterbewusstseins. Angespannt lauschte Ellin in die Dunkelheit, doch sie hörte nur das stetige Rauschen des Regens und den Wasserfall. Langsam setzte sie sich auf und blickte sich um. Das Tosen hatte nachgelassen, was nur bedeuten konnte, dass auch der Regen nachgelassen hatte. Noch immer regierten unheilvolle Schatten die Höhle, doch waren sie nicht mehr so finster wie in der tiefsten Nacht. Der Tag war nicht mehr fern. Steif rappelte sie sich auf. Ihre Kleider waren klamm und kalt, genau wie ihre Haut. Widerwillig streifte sie das feuchte Hemd und die Beinkleider über, tastete sich an der Felswand entlang zum Höhlenrand und schob sich seitlich an dem Wasserfall vorbei nach draußen. Der Regen hatte tatsächlich ein wenig nachgelassen, doch es war noch immer bitterkalt.
    Ellin fragte sich, ob sie je wieder aufhören würde zu frieren. Seit sie die Felsenfestung verlassen hatte, war sie ständig unterkühlt und durchnässt. Dieser Umstand machte ihr zunehmend Sorgen, immerhin war sie die Gehilfin des Heilers gewesen und wusste, was ihr drohte, wenn sie sich nicht sehr bald aufwärmen würde. Husten, schmerzende Lungen, Fieber, Atemnot und schließlich der Tod. Wie zur Bestätigung fegte ein eisiger Wind über sie hinweg. Schnell kroch sie in die Höhle zurück, kniete sich neben ihren Essensvorrat und tastete nach einem Stück Trockenfleisch. Während sie kaute, wickelte sie die Gerstfladen ein, die über Nacht zu einem harten Klumpen geworden waren, und steckte sie in das Bündel zurück. Nur für den Notfall.
    Nachdem sie das Fleischstück verspeist hatte, gönnte sie sich eine weitere Rotbaumnuss. Zwar war ihr der Wald unbekannt, doch sie ging davon aus, dass er ausreichend Nahrung und Brennholz bot. Der Gedanke an ein wärmendes Feuer trieb sie an. In Vorfreude schwelgend streifte sie ihre Tunika über, packte das Bündel zusammen, füllte den Trinkbeutel auf und verließ den Unterschlupf. Noch war es nicht hell genug, um weit zu sehen, und so musste sie sich auf dem Weg nach unten eher auf ihren Tastsinn und ihr Gespür verlassen als auf ihre Augen. Kurze Zeit später war sie wieder durchnässt und erschöpft. Es schien ihr, als würde der Regen ihre gesamte Kraft fortspülen. Zudem fiel ihr das Atmen schwer und sie verspürte einen leichten Hustenreiz. Sie schickte ein Stoßgebet zu den Göttern, dass sie den Wald noch vor der Dunkelheit erreichen würde, denn eine weitere Nacht auf dem Berg könnte ihren Tod bedeuten. Sie hielt inne und warf einen Blick zurück. Wie ein versteinerter Dämon ragte die Felsenfestung in den Himmel empor, warf ihren unheilvollen Schatten über den Berg. Ellin biss die Zähne zusammen und kletterte weiter, das Zittern in ihren Armen und den Schmerz in ihrer Brust ignorierend. Schritt für Schritt weiter hinab in Richtung des grünen Rauschens unter ihr. Immer öfter zwang die Schwäche in ihren Gliedern sie dazu anzuhalten, doch ein Blick auf die Felsenfestung trieb sie voran. Während des Tages blieben die Sonnen hinter Wolkenbergen verborgen und die hereinbrechende Abenddämmerung brachte einen beißenden Wind, der sich wie Nadelstiche in die Haut bohrte. Auch der Regen nahm wieder an Stärke zu und klatschte gegen ihren bibbernden Leib. Auf einem Plateau machte sie Halt und kroch an den Rand des Vorsprungs. Aufrecht zu gehen wagte sie nicht, wegen des Windes, aber auch wegen ihrer Schwäche. Winzige, scharfkantige Steine bohrten sich durch die Beinkleider hindurch in ihre Knie und verursachten stechende Pein. Sie setzte sich an den Rand des Felsens, rollte die Beinkleider hoch und pulte die Kiesel aus ihrer Haut. Dann beugte sie sich vor und blickte nach unten. Die Baumwipfel waren nah, doch das Ende des Berges war noch immer nicht

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