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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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das deine Söhne?«
    »Ja, das ist Janus und das ist Josch«, stellte sie die Zwillinge vor.
    »Du hast sie nach meinem Bruder und meinem Vater benannt?« Ellin war gerührt.
    Tilda nickte. »Natürlich. Wären Sie Mädchen geworden, hätte ich sie nach dir und deiner Mutter benannt.«
    Schniefend drückte Ellin die Jungen an sich, die sich in ihrer Umarmung spürbar unwohl fühlten. Neugierig spähte sie an ihnen vorbei ins Haus. »Wo ist dein Gefährte?«
    »Er musste früh fort. Er ist Viehheiler und wurde zu einer trächtigen Stute gerufen«, erklärte Tilda. »Aber komm herein, iss etwas und mach dich frisch. Du siehst müde und geschunden aus.« Sie musterte Ellin. »Und du bist so dünn.«
    Sie ergriff ihre Hand und zog sie in das Haus hinein. »Du musst mir alles erzählen, Kind. Es gab so viele Gerüchte, eines haarsträubender als das andere.«
    Während Ellin warme Gerstfladen mit Kräuterschmalz aß und dazu einen großen Becher Schwarzbeersaft trank, stillte sie Tildas Neugier, erzählte ihr von ihrer Zeit auf der Felsenfestung, von ihrer Flucht und der Reise mit den Uthra. Tilda und die Kinder hörten ihr staunend zu.
    »Lord Wolfhard höchstselbst war hier und hat nach dir gesucht«, sagte Tilda, als Ellin von Lord Wolfhards Ankunft in Huanaco erzählte. »Er drohte, sollten wir dir Unterschlupf gewähren, würde er den Weiler niederbrennen und die gesamte Ernte vernichten. Er war überzeugt davon, dass wir dich versteckt halten. Ich bin mit den Kindern in die Gerstknollenfelder geflohen. Wir fürchteten um unser Leben. Lord Wolfhard und seine Männer haben das Haus auseinandergenommen, die Möbel zerschlagen und den Boden aufgerissen. Schließlich mussten sie einsehen, dass du nicht hier bist. Bevor sie den Weiler verließen, haben die Soldaten die Töchter und die Frau vom Hufschmied in Westweiler geschändet und ihm ein Schwert in die Brust gerammt, als er versuchte, die Männer aufzuhalten.«
    Ellin schlug die Hand vor den Mund. »Das ist ja schrecklich. Und das alles meinetwegen.«
    Beruhigend legte Tilda eine Hand auf ihren Arm. »Du trägst keine Schuld. Lord Wolfhard war ein schlechter Mensch. Du hast recht daran getan, zu fliehen. Irgendjemand musste diesem Scheusal einmal die Stirn bieten. Als wir von seinem Tod erfuhren, haben wir ein Freudenfeuer entzündet und einen Teil unserer Ernte den Göttern geopfert und sie angefleht, uns einen gnädigeren Herrn zu schicken. Aber nun erzähl weiter, wie ist es dir in diesem fernen Land ergangen?«
    Ellin erzählte bis zum Mittag, immer wieder unterbrochen von Tildas Ausführungen. Nur ihre Gefangennahme und die Zeit in Lord Wolfhards Gemächern wandelte sie ab. Sie behauptete, sich kaum an etwas erinnern zu können, wegen Mathýs Kugeln, und dass sie sich unvermittelt im Geheimgang wiedergefunden hätte, in der Hand die Besitzurkunde.
    Tilda runzelte die Stirn. »Aber wie ist er zu Tode gekommen? Die Vecktaner rätseln über sein Ableben und die Geschehnisse dieser Nacht. Kannst du dich denn an gar nichts erinnern?«
    Ellin schüttelte den Kopf. »Nein, die ganze Nacht ist in einem verzerrten Nebel gefangen.«
    Tilda seufzte. »Ich hoffe nur, dass dich der neue Herr nicht des Mordes beschuldigt.«
    »Könnte er das denn?«
    »Selbstverständlich. Der Herr von Veckta kann tun, was auch immer ihm beliebt«, erwiderte Tilda.
    »Aber warum sollte er das tun? Schließlich war Lord Wolfhards Ableben sein Gewinn.«
    Tilda schnaubte. »Nun hast du so viel gesehen und erlebt und vermagst nicht, dir vorzustellen, warum er das tun sollte?«
    Ellin überlegte kurz und senkte dann den Kopf. »Wegen des Landes.«
    »Richtig. Eine verurteilte Mörderin verliert ihre Rechte und sämtliches Hab und Gut.«
    »Dann war alles umsonst«, stellte sie entsetzt fest.
    Tilda strich über ihre Wange. »Lass den Mut nicht sinken. Wir finden schon einen Ausweg.«
    Schritte erklangen vor dem Haus. Tildas Gefährte betrat die Kammer. Er war nicht groß, aber kräftig und muskulös. Sein schütteres, blondes Haar und den Bart trug er kurz, seine Augen blitzten fröhlich. Tilda begrüßte ihn strahlend und stellte ihm Ellin vor.
    »Guntar, das ist die Tochter meines Bruders, Ellin.«
    Er nahm ihre Hände in seine und schien sich ehrlich zu freuen, bekam aber kaum Gelegenheit in angemessener Weise Höflichkeiten auszutauschen, da Janus und Josch an seinen Beinen hingen und um Aufmerksamkeit bettelten. Er nahm seine Söhne hoch, ein jeden auf einen Arm, und drehte sich im Kreis.

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