Ellin
seinen Nutzen in dieser Welt.
Hastig wrang sie ihre Tunika aus und kehrte zum Lagerplatz zurück. Kylian hatte zwischenzeitlich ein Feuer entfacht und röstete Gerstfladen. Der köstliche Duft stieg in ihre Nase, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er blickte nicht auf, als sie zu ihm trat und ihre Tunika über einen Ast hängte.
Auch während des Nachtmahls, welches aus Trockenfleisch, Gerstfladen und gebratenen Eiern bestand, sprachen sie nicht. Seit dem Waschen war er noch verschlossener als zuvor, falls dies überhaupt möglich war. »Was wollt Ihr mit mir tun, jetzt, nachdem Ihr mich ein weiteres Mal gerettet habt?«, begann Ellin.
Kylian zuckte mit den Schultern und starrte weiter ins Feuer. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Ich finde, wir sollten darüber sprechen, bevor ich Euch erneut verärgere.« Und ihr einen weiteren Wutanfall bekommt , fügte sie in Gedanken hinzu.
Er strich über seinen Bartschatten und überlegte. »Ihr solltet mit uns nach Huanaco reisen«, sagte er schließlich. »Die Herrscherin ist uns wohlgesonnen. Ich könnte sie um eine Anstellung für Euch bitten.«
Überrascht riss Ellin die Augen auf. »Würdet Ihr das tun?«
Er nickte. »Ich habe es mit meinen Gefährten besprochen. Alle halten es für eine gute Idee.«
»Das … das ist sehr freundlich. Danke.«
Wieder schwiegen sie.
»Wie viele Sternenläufe zählt Ihr eigentlich?«, fragte sie beiläufig, während sie die Reste ihres Fladens zwischen den Fingern zerbröselte.
Kylian hob den Kopf und sah sie an, sein Blick war nicht unfreundlich, aber wachsam. »Warum fragt Ihr?«
Sie zuckte betont gleichmütig mit den Schultern. »Es interessiert mich. Normalerweise vermag ich das Alter eines Menschen zu schätzen, doch bei Euch versagen meine Fähigkeiten.«
»Versucht es, ich sage Euch anschließend, ob Ihr richtig liegt.«
»Wie wäre es mit sechsundzwanzig?«
»Fast. Siebenundzwanzig«, erwiderte er ernst.
Lügner dachte Ellin und sagte: »Wo seid Ihr geboren? Gehört Ihr schon immer zum fahrenden Volk?«
»Wieso stellt Ihr schon wieder so viele Fragen?«, murrte er.
»Weil ich gerne mehr über meinen Retter erfahren möchte. Ist das denn so verwerflich?«
»Ihr kennt meinen Namen. Mehr braucht Ihr nicht zu wissen.«
Sie wusste, dass sie besser den Mund halten sollte. Er mochte keine Fragen, das hatte er nur allzu deutlich gemacht. Doch bevor sie mit ihm und seinen Gefährten ins ferne Huanaco reisen würde, wollte sie Gewissheit über seine Herkunft. »Ich kenne nur Euren ersten Namen, das ist nicht besonders viel. Wie lautet der Name Eurer Sippe?«
»Ich gehöre keiner Sippe an und trage keinen zweiten Namen.«
»Dann seid Ihr kein Vecktaner und auch kein Mossa oder Thalaner. Wo liegt Eure Heimat?«
Missmutig stocherte Kylian im Feuer herum. Ellin rückte vorsichtshalber von ihm ab, bereit, aufzuspringen, falls er die Beherrschung verlieren würde. Er bemerkte es.
»Ich werde euch nichts tun, Ellin. Dass ich im Wagen die Beherrschung verloren habe, tut mir leid und ich schwöre, dass sich derlei nicht wiederholen wird. Das solltet ihr wissen.«
Ellin seufzte. Noch vertraute sie ihm nicht, doch seine Worte beruhigten sie ein wenig. »Warum fällt es Euch dann so schwer, etwas von Euch zu erzählen? Ich will Euch nichts Böses.«
Er schnaubte. »Ihr wollt alles über mich wissen. Doch das geht Euch nichts an, also hört auf, danach zu fragen.«
Sie sah ihn eindringlich an. »Warum vertraut Ihr mir nicht? Wer auch immer Ihr seid, es ist mir egal. Das schwöre ich.«
Er stieß ein freudloses Lachen aus. »Ihr erwartet doch sicher kein Vertrauen für diesen billigen Schwur?«
Der Versuch, ihn zum Reden zu bringen, begann, sie zu frustrieren. Warum konnte er nicht ein einziges Mal seine abwehrende Haltung aufgeben? »Ihr müsst mir nicht vertrauen, ich weiß auch so schon genug über Euch«, erwiderte sie trotzig.
Kylian hob eine Augenbraue. »Tatsächlich? Was glaubt Ihr denn, über mich zu wissen?«
Sie schluckte trocken, ignorierte ihr klopfendes Herz und ihre feuchten Handflächen. »Ich glaube, Ihr seid kein Mensch.«
Unbehagen huschte über sein Gesicht, doch sogleich hatte er sich wieder im Griff. »Aha. Was bin ich denn, wenn nicht ein Mensch?«
»Ich glaube …«, sie zögerte, atmete tief durch und fasste Mut. »Ich glaube, Ihr seid ein Uthra.«
Er presste die Lippen zusammen, seine Kiefermuskeln spannten sich. Ellin befürchtete, zu weit gegangen zu sein. Schnell sprang
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