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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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sie auf und trat einen Schritt zurück. Er fixierte sie mit seinem Greifvogelblick.
    »Was ist, wenn ich tatsächlich ein Uthra bin? Wie steht Ihr dazu?«, fragte er lauernd.
    Nervös ballte sie die Hände zu Fäusten. »Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass Ihr mir um einiges freundlicher begegnet seid, als die Menschen. Nicht Ihr persönlich, aber Eure Gefährten.«
    Er hob die unversehrte Augenbraue, dann lächelte er plötzlich. »Ich schätze, das habe ich verdient.«
    Sie zuckte mit den Schultern, wagte eine neue Frage. »Sagt mir, ist Geldis ebenfalls eine Uthra?«
    »Nein, sie ist ein Mensch.«
    Mit einem Kopfnicken deutete er neben sich. »Setzt Euch, ich tu Euch nichts.«
    Ellin tat wie geheißen, wenn auch zögerlich. »Wie lange ist sie schon bei Euch?«
    »Sie zählte zwanzig Sternenläufe, als sie zu uns gestoßen ist, also schon sehr lange.«
    »Wieso reist sie mit Euch umher, anstatt sesshaft zu werden? Als Seherin hätte sie einem hohen Herrn dienen und ein gutes Auskommen haben können, ganz zu schweigen von einem Gemahl und Kindern«, sagte sie.
    Plötzlich machte Kylian ein verdrossenes Gesicht. »Das solltet Ihr sie selber fragen.«
    Er hatte recht. Das sollte sie wohl. »Ich habe nur noch eine Frage, dann verspreche ich, zu schweigen.«
    »Das höre ich gerne«, erwiderte er.
    »Wie alt seid Ihr wirklich?«
    Er grinste freudlos. »Ich zähle neunundsechzig Sternenläufe.«
    Ellin betrachtete ihn staunend. »Ich muss zugeben, dass Ihr Euch ausnehmend gut gehalten habt.«
    Ihre Worte sollten scherzhaft klingen, doch er wirkte unangenehm berührt. Hastig stand er auf, rollte die Matte und das Schlaffell aus und forderte sie auf, sich hinzulegen. Er selbst setzte sich ans Feuer. Offensichtlich war die Unterhaltung für ihn beendet
    »Wollt ihr Euch nicht auch zur Ruhe begeben?«, fragte sie. Trotz ihrer Aussprache behagte ihr die Vorstellung nicht, zu schlafen, während er wachte.
    »Ich muss aufpassen.«
    »Glaubt Ihr, Wolfhards Männer könnten uns einholen?«
    »Nein, zumindest nicht heute Nacht. Allerdings verlasse ich mich nicht darauf. Schlaft jetzt. Morgen haben wir einen langen Ritt vor uns.«
    Trotz ihrer Müdigkeit dauerte es lange, bis sie endlich einschlafen konnte. Tausend Gedanken und Fragen huschten durch ihren Kopf. Acht Sternenläufe lang hatte sie nichts gesehen und erlebt, außer Lord Wolfhards Launen. Nun lag sie in der Wildnis mit einem Uthra, den sie trotz ihrer Gabe nicht einzuschätzen vermochte. Einerseits fürchtete sie sich vor ihm. Andererseits hatte er ihr bereits zweimal das Leben gerettet und verschaffte ihr sogar die Möglichkeit eines Neubeginns. Zumindest behauptete er das.
    Ob es der Wahrheit entsprach, würde sich erst noch zeigen.
8
    Z um ersten Mal betritt Ellin Lord Wolfhards Gemächer. Schüchtern schleicht sie in die erste Kammer und blickt sich um. Die ausgestopften Tiere an der Wand ängstigen sie. Ihre starren Augen erinnern sie an die toten Menschen vor dem Haus ihrer Eltern.
    »Komm zu mir«, ertönt Lord Wolfhards tiefe Stimme aus dem Nebenraum.
    Zitternd vor Angst trippelt Ellin in die Schlafkammer. Ihren Kopf hält sie gesenkt und stolpert prompt über ein Paar Stiefel, die vor der Tür stehen.
    »Mir scheint, du bist ein tollpatschiges Ding. Sicher haben dich deine Eltern verzärtelt, hab ich recht?« Lord Wolfhards Stimme klingt kalt und hart, sie erschauert unter dem frostigen Klang.
    »Antworte mir, Dienerin, bist du ein verwöhntes Gör oder kannst du auch anpacken?«
    »Ich kann arbeiten, mein Herr. Im Haus meiner Eltern habe ich bei der Ernte geholfen und bin meiner Mutter in der Küche und im Stall zur Hand gegangen.« Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
    »Dann fülle Wasser in die Schüssel, damit ich mich waschen kann. Anschließend legst du mir ein Nachtgewand zurecht, richtest meine Bettstatt, bringst mir einen Becher Würzwein und bürstest meine Schuhe«, befiehlt Lord Wolfhard.
    Ellin schwirrt der Kopf von den vielen Aufträgen. Leise wiederholt sie die Befehle, während sie zum Waschtisch eilt. Der Krug ist groß und dazu noch bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Es gelingt ihr kaum, ihn zu heben. Lord Wolfhards Rute saust auf ihren Rücken, bevor sie überhaupt bemerkt, dass er hinter ihr steht. Sie schreit auf vor Schreck und Schmerz, die Kanne poltert auf den Waschtisch zurück. Wasser schwappt über den Rand und tropft auf das Holz. Mit der linken Hand umfasst er ihr Kinn. Tief bohren sich seine Finger in ihr Fleisch,

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