Ellin
schneller reiten?«, fragte sie nach einer Weile gereizt.
»Das ist keine gute Idee«, erwiderte Kylian. »Ein schneller Ritt könnte Butan schaden.«
Nuelia schnaubte. »Er braucht dringend einen Heiler. Wenn überhaupt, dann schadet ihm unser Zögern.«
Kylian enthielt sich einer Erwiderung, was Nuelia anscheinend noch zorniger machte. »Verdammt Kylian. Er stirbt, wenn er nicht bald Hilfe bekommt.«
Kylian ließ sich zurückfallen und warf einen Blick auf Butan. »Am Waldrand rasten wir. Dann legen wir einen Schritt zu.«
Nuelia nickte und blickte nach vorn. Der Wald war nicht mehr fern.
»Mirabeeren«, rief Jesh plötzlich und hastete auf eine Ansammlung unscheinbarer Sträucher zu. In Windeseile hatte er eine Handvoll kleiner, gelber Früchte gepflückt. »Hier, probiert mal«, sagte er und reichte Ellin und Nuelia einen Zweig voll saftiger Kugeln.
»Ich kenne Mirabeeren«, erwiderte Ellin. »Die Gaukler haben sie von ihren Reisen mitgebracht und auch am Fuße der Felsenfestung findet man den ein oder anderen Strauch.« Sie streifte die Beeren von dem Zweig und ließ sie genüsslich in ihrem Mund zerplatzen. Saftige Süße, vermischt mit einem erfrischenden Teil Säure, füllte ihren Mund. Die winzigen Kerne im Inneren der Beeren schluckte sie zusammen mit dem Fruchtfleisch hinunter.
Jesh lief neben dem Pferd und blickte grinsend zu ihr auf. »Schmeckt es dir?«
Ellin nickte lächelnd.
»Hebt ein paar für Butan auf«, bat Nuelia.
Jesh lief zu Butans Bahre und musterte ihn, dann sah er mit besorgter Miene zu Ellin hinauf. »Du solltest nach ihm sehen, er sieht nicht gut aus.«
Nuelia griff nach den Zügeln, stoppte das Pferd und sprang hinab, die Mirabeeren kullerten auf den Boden. Ellin folgte ihr eilig. Eine dunkle Ahnung kroch ihren Rücken hinauf.
Leblos hing Butan auf der Bahre, sein Kopf sah aus wie ein Totenschädel. Dunkle Schatten zogen sich über sein Gesicht. Die Lippen ein blutleerer Strich in einem wächsernen Gesicht, getrockneter Speichel klebte an seinem Mund. »Helft mir«, krächzte er.
Kylian kam gerannt, gefolgt von der humpelnden Geldis.
In Windeseile durchtrennte Nuelia die Seile, die ihren Gefährten auf der Bahre hielten. Wie ein Stein rutschte er zu Boden.
»Bei den Göttern, was ist mit ihm?« Verzweifelt warf sie sich neben ihm auf die Knie.
Ellin beugte sich über ihn. Unzählige Male hatte sie Sterbende gesehen, und Butan war eindeutig einer davon. Sie schluckte schwer und starrte ihn mitleidig an. Butans Mund war weit geöffnet, er schnappte nach Luft, lautlos, wie ein Fisch, der an Land gespült worden war.
»Bitte Butan«, schrie Nuelia. »Bitte, stirb nicht, bitte. Oh großer Mabon, rette ihn.« Sie zerrte ihn auf ihren Schoß. »Bitte. Bleib bei mir.«
Kylian warf Ellin einen fragenden Blick zu. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Minutenlang rang Butan um Atem. Sein Körper versteifte sich. Schaumiger Speichel quoll aus seinem Mund. »Bitte Butan. Bleib bei mir«, flehte Nuelia immer wieder.
Doch ihr Flehen blieb ungehört. Butan starb in ihren Armen.
Ellin versuchte, ihr Trost zu spenden, doch Nuelia stieß sie fort. Niemand durfte ihren Geliebten berühren, nicht einmal Kylian, der seine Erschütterung hinter einer starren Maske verbarg. Auch Jeshs Augen schwammen in Tränen.
Einzig Geldis schien einen kühlen Kopf zu bewahren, aber vielleicht war das auch nur ihre Art, den Schock zu bewältigen. »Steh hier nicht unnütz herum, sammle die Grabsteine«, wies sie Jesh an.
Jesh erhob sich gehorsam und begann, faustgroße Steine zu sammeln. Kylian verharrte noch einen Augenblick an Butans Seite und stürmte dann davon.
Geldis wandte sich Ellin zu, die auf dem Boden saß und ihre Beine umschlungen hielt. »Geh ihm nach.«
Verwirrt blickte Ellin auf. »Warum?«
»Nun geh schon«, befahl sie und sah sie streng an. »Er braucht Trost.«
Ellin fühlte sich wie betäubt. Sicher brauchte er Trost, genau wie Nuelia, doch gewiss nicht von ihr. Da sie jedoch zu schwach war, um sich gegen Geldis’ Aufforderung zu wehren, stand sie auf und folgte Kylians Spur. Sie fand ihn hinter einem Baum, wo er auf dem Boden kauerte und ins Leere starrte. Als er ihre Schritte vernahm, drehte er ruckartig den Kopf und herrschte sie wütend an. »Was wollt Ihr?«
»Ich habe mir Sorgen um Euch gemacht.«
»Geht und kümmert Euch um Nuelia. Ich will allein sein.«
Ellin ließ sich nicht beirren. »Geldis trug mir auf, nach Euch zu sehen. Sie nahm an, dass Ihr Trost
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