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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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meinem Kopf vertrieb. Jetzt schien der unverfängliche Teil des Abends beendet, und Karas würde zur Sache kommen. Es war besser, dafür über einen halbwegs klaren Kopf zu verfügen. Ich trank also den bittersüßen, kochendheißen Trank und wartete.
    Der Kammerherr tupfte sich mit seinem parfümierten Tuch die erhitzte Stirn ab und bat: »Könntest du bitte ein Fenster öffnen, mein lieber Junge?« Ich gehorchte, und als ich an ihm vorbei zurück zu meinem Platz gehen wollte, griff er nach meinem Arm und hielt mich fest. Er zog mich zu sich herunter und berührte mein Gesicht. In seinen kurzsichtigen Augen standen zu meiner grenzenlosen Überraschung sentimentale Tränen. Er tätschelte unbeholfen meine Wange und ließ mich los. Überrascht setzte ich mich wieder hin und drehte verlegen mein leeres Weinglas in der Hand.
    Karas rückte seinen fülligen Leib in eine aufrechte Haltung und schenkte erneut die Gläser voll. »Mikel hat deine Räumlichkeiten vorbereitet«, bemerkte er sachlich. »Du wohnst hier ganz in meiner Nähe. Nun möchte ich dir einen Vorschlag unterbreiten.« Er pausierte und trank. Ich wartete. »Ich brauche sehr dringend wieder einen persönlichen Schreiber und Sekretär. Mein guter alter Evan ist vor einem halben Jahr gestorben, und seitdem bin ich auf Aushilfen angewiesen, was auf die Dauer keine befriedigende Lösung sein kann. Ich habe mit Meister Rowald gesprochen. Er ist wie ich der Meinung, daß du dich dafür eignest. Was meinst du dazu?«
    Ich schluckte. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Ich nickte und schüttelte gleich darauf unglücklich den Kopf. Karas sah mich sehr verwundert an. »Was hast du für Einwände?« fragte er mild, aber da war eine gewisse Schärfe unter der sanften Oberfläche zu spüren. Das erinnerte mich wieder daran, nicht den Fehler zu begehen, diesen rundlichen kleinen Mann zu unterschätzen. Ich deutete hastig auf meine Kehle, meinen Mund und machte eine Geste, als schriebe ich etwas auf. Er verstand und lehnte sich ächzend vor, um an seinem Bauch vorbei Feder und Tinte aus der Schublade des kleinen Tisches zu angeln. Er schob mir beides hin und zog dann noch einen Bogen Papier hervor.
    Ich beugte mich über das Papier und schrieb: Ich würde Euer gütiges Angebot gerne annehmen, Kammerherr, zuvor aber müßt Ihr mir erlauben, eine Frau namens Leonie aufzusuchen, die hier in der Burg leben soll. Sie kann mir möglicherweise meine Sprache wiedergeben . Ich schob das Blatt zu ihm hinüber. Er las es mit gerunzelter Stirn. Verblüfft blickte er auf, sah mich argwöhnisch an und las die Nachricht dann noch einmal durch, als befürchtete er, sie beim ersten Mal nicht richtig verstanden zu haben. Dann ließ er das Blatt sinken und griff nach seinem Glas. Er stürzte den sündhaft teuren Wein hinunter, als sei es billiger Rotwein aus Olyss und tupfte sich erneut das Gesicht ab.
    »Du kennst Leonie?« fragte er und schenkte sich nach. Ich schüttelte den Kopf. Er entspannte sich etwas und lehnte sich wieder zurück. »Woher hast du ihren Namen?« 
    Ich hob die Hand, und er gab mir das Papier zurück. Von meinem Lehrer Julian schrieb ich und reichte es ihm hin. Er überflog es. Seine Lippen formten stumm den Namen Julian . Mit spitzen Fingern legte er das Papier auf den Tisch, als wäre es vergiftet, und nahm erneut einen ordentlichen Schluck aus seinem Glas.
    »Was ist überhaupt mit deiner Stimme passiert?« fragte er dann. Ich deutete einen Schlag auf den Kopf an, und er nickte. Lange Zeit brütete er stumm vor sich hin. Sein rundes Gesicht wirkte ungewöhnlich ernst. Endlich sah er auf und griff wiederum nach meiner Hand. Ich ließ es mit Unbehagen zu. Er tätschelte sie geistesabwesend und sagte: »Gut, einverstanden. Ich bringe dich morgen zu Leonie. Aber du mußt erlauben, daß ich bei diesem Treffen dabeisein kann.« Er sah mir eindringlich in die Augen. Ich nickte notgedrungen. Es war ja auch gleichgültig, ob Karas dabei war oder nicht; das Wichtigste für mich war, diese Frau aufzusuchen und mir von ihr helfen zu lassen – hoffentlich konnte sie mir helfen!
    Des Kammerherrn Gesicht entspannte sich, und er sah auf einmal ungeheuer müde aus. Er ließ meine Hand los, die er die ganze Zeit über liebkost hatte, und zog an der Klingelschnur.
    »Es ist spät geworden. Mikel zeigt dir jetzt deine Räume. Ich erwarte dich von nun ab jeden Morgen nach dem dritten Läuten hier in meinem Quartier. Wir frühstücken dann gemeinsam und besprechen dabei,

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