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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Hand samt Inhalt unter die Nase und sagte: »Bitte sehr, ist das nicht Eure Leibspeise, edler Herr? Leckt es nur ruhig ab, scheut Euch nicht! Ich habe noch mehr davon.« Die Schreiber kreischten vor Wonne. Ich biß die Zähne aufeinander und wollte mich an ihm zur Tür vorbeidrängen, aber zwei seiner Kollegen bauten sich mit verschränkten Armen und erwartungsvoller Miene vor ihr auf.
    »Nanu, so empfindlich bei einem kleinen Scherz? Lauf doch zu deinem Herrchen, kleiner Buhljunge, wein dich bei ihm aus. Wie ist es denn, dem alten Mann das Bett zu wärmen?« höhnte Jord. Das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden, ich sah nur noch den blanken Haß. »Kriechst du ihm auch schön in den Hintern dafür, daß er dich ein bißchen an seiner Macht schnuppern läßt? Was treibt ihr denn so miteinander, wenn du eine Woche lang nicht aus seinem Schlafzimmer herauskommst? Sauft ihr dabei nur den königlichen Weinkeller leer, oder schleckst du lieber den fetten alten Krüppel von oben bis unten ab?«
    Blind vor Wut ballte ich meine Faust und schlug ihm mitten in seine breite, geifernde Visage. Darauf hatten einige der anderen anscheinend nur gewartet, sie johlten und warfen sich auf mich. Ich hörte, wie Bartold seine Kollegen bat aufzuhören, doch sein Appell verhallte wirkungslos. Bis Rowald eintrat und in äußerst scharfem Ton um eine Erklärung für das Geschehen bat, blutete ich aus der Nase, meine Lippe war aufgeplatzt, ein Auge schwoll zu, und mein liebstes, pflaumenblaues Wams hing in Fetzen von meiner Schulter. Ich tupfte mit dem Handrücken das Blut von meinem Mund, wischte mir das wirre Haar aus den Augen – weiß Göttin, wo bei der Prügelei mein Haarband hingeraten war – und bat Rowald, die gefundene Akte zu Karas bringen zu lassen, ich müsse mich erst ein wenig restaurieren, ehe ich dem Kammerherrn unter die Augen treten könne.
    Ich richtete meine Kleider, so gut es eben ging und verließ aufrecht und um würdevolle Haltung bemüht den Raum. Hinter mir hörte ich Rowald, den ich für einen der friedlichsten, ruhigsten Menschen hielt, wie einen gereizten Stier losbrüllen. Für einige Atemzüge lehnte ich mich gegen die kühle Wand des Ganges. Meine Knie waren weich, und die unzähligen Schrammen und blauen Flecken, die mein Gesicht und meinen Oberkörper überzogen, begannen jetzt erst richtig zu schmerzen. Ich wußte nur eine Zuflucht, und die suchte ich auf.
    Leonie war nicht in ihren Gemächern. Ich fiel auf einen Stuhl und betastete fahrig mein geschundenes Gesicht. Der Haß und die Verachtung, die mir in der Schreibstube entgegengeschlagen waren, kamen mir erst jetzt richtig zu Bewußtsein. Ich merkte, wie ich begann, am ganzen Leibe zu zittern. Vor dem Fenster tanzten zwei Raben in der Luft umeinander, krächzten laut und landeten auf dem Altan. Sie verschwanden im Schatten der Mauer, und kurz darauf trat Leonie von draußen herein, Magramanir auf ihrer Schulter. Ich war verblüfft, sie zu sehen, meinte ich doch, beim Hereinkommen auf dem Altan niemanden bemerkt zu haben. Aber bei meiner augenblicklichen Verfassung war es auch durchaus möglich, daß ich sie einfach übersehen hatte.
    Sie erblickte mich, der ich wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl hockte, und ich sah sie zum ersten Mal, seit ich sie kannte, außer Fassung. Sie hatte sich zwar sofort wieder in der Gewalt, aber der kurze Augenblick des kalten, tiefen Zorns in ihren Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Sie fragte nichts, schickte nur die Rabin fort, führte mich sodann in eines der Nebenzimmer, hieß mich niedersitzen und begann mit behutsamer, kundiger Hand meine Verletzungen zu versorgen. Zum Schluß setzte sie mir einen ihrer Tränke an die Lippen, den ich vertrauensvoll hinunterschluckte und legte ihre kühlen, langen Hände auf mein geschwollenes Gesicht. Unter ihrer Berührung schienen sich die offenen Wunden zu schließen. Unendliche Mattigkeit und Ruhe überkam mich. Sie kniete neben mir, umschloß meine Hände und bannte mich mit ihren weisen, goldenen Augen. Ich blickte wie gebannt in ihre funkelnde Tiefe und hörte aus weiter Ferne ihre beherrschte dunkle Stimme sprechen.
    »Warum, Elloran? Warum gibst du dich mit ihnen ab? Hör auf, dir einzureden, du seist ein gewöhnlicher Mensch wie dieser Pöbel, der dich heute zusammenschlug. Du bist etwas Besonderes, und du weißt es. Du hättest diesen Abschaum mit einem Blinzeln deines Auges vernichten können, und du hättest jedes Recht dazu gehabt. Werde

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