Ellorans Traum
Ich schüttelte den Kopf. »Hab k-keine Angst, Großvater. Ich lasse dich nicht lange allein, das verspreche ich dir. Nik sprach nur von einigen Tagen.«
Er schloß die Augen, und seine Finger lösten ihren festen Griff. Ich legte seine Hand behutsam zurück auf die Bettdecke und ging leise hinaus. Nikal stand wartend bei der Tür, und Veelora starrte ihn wütend an. Ich ging zu ihr, um mich von ihr zu verabschieden. Sie zog mich beiseite.
»Kind, wir brauchen dich hier. Ich bitte dich, gehe nicht mit ihm. Es sind Fremde, keiner von uns weiß, was sie wirklich vorhaben.« Ich vernahm die echte Angst in ihrer Stimme und umarmte sie fest.
»Großmutter, ich verspreche es dir, wie ich es Karas versprochen habe: Ich k-komme wieder. Aber ich muß mehr über sie erfahren, es ist meine Pflicht als zukünftige Herrscherin, das verstehst du doch.« Ihre Augen durchforschten mein Gesicht. Endlich nickte sie traurig und wandte sich ab, um ins Nebenzimmer zu gehen. Nikal stand reglos wartend da, und sein Blick traf mich kalt und hell. Zu meiner eigenen Verwunderung bemerkte ich, daß ich Angst verspürte, gerade so, als hätte sich die Besorgnis meiner Großeltern auf mich übertragen. Wußte ich, was die Fremden mit mir vorhatten? Konnte ich Nikals Worten einfach so Glauben schenken, daß sie meinem Volk nicht übelwollten? Meine gemischten Gefühle mußten sich in meiner Miene widergespiegelt haben, denn er trat einen Schritt auf mich zu und reichte mir seine Hand. Ich erwiderte ihren festen Druck, und er lächelte mich beruhigend an.
»Keine Angst, Prinzessin. Niemand will dir schaden, dafür verbürge ich mich mit meinem Leben. Du wirst es nicht bereuen, mit mir gekommen zu sein. Gib es zu, du bist doch viel zu neugierig, um dir diese Gelegenheit entgehen zu lassen!«
Ich mußte lachen. Natürlich hatte er recht. Er drückte meine Schulter und schob mich zur Tür hinaus. Wie ich es vermutet hatte, führte er mich hinauf auf den Alten Turm. Oben auf der Plattform angekommen, hieß er mich warten und ging einige Schritte zur Mitte. Er blieb stehen und fuhrwerkte in der leeren Luft herum. Etwas schimmerte auf und schien die Luft zu verdrängen. Ich traute meinen Augen kaum, als vor uns ein liegendes zylindrisches Objekt von der Größe eines kleinen Fischerkahns erschien. Es zeigte keinerlei Öffnungen oder Unterbrechungen in seiner metallischen Oberfläche. Stumm und bewegungslos lag es vor uns auf der Plattform. Gefesselt trat ich heran und betastete vorsichtig seine Hülle, während Nikal mir schweigend dabei zusah. Ich fühlte seltsam kühle Glätte unter meinen Fingern: nicht das Metall, das ich erwartet hatte, sondern irgendein fremdartiger Stoff, den ich nicht einordnen konnte. Fragend drehte ich mich zu Nikal um.
»Überraschung«, lachte er und wies auf den Gegenstand. Unter meinem Blick öffnete sich in der makellosen Oberfläche eine Luke, durch die ich ins Innere blicken konnte. Schwaches Licht drang heraus, und ich wich erschreckt zurück.
»Ist das Zauberei?« fragte ich ihn. Er lachte nur und winkte mir, ihm zu folgen. Herzklopfend sah ich zu, wie er den Kopf einzog und in das seltsame Behältnis stieg. Ich nahm all meinen Mut zusammen und kletterte hinter ihm her. Er faltete seine langen Gliedmaßen zusammen und verstaute sie in einer Art von gepolsterter Liege mit breiten Armlehnen. Mit zusammengebissenen Zähnen tat ich es ihm nach. Ich legte mich auf die zweite Liege, die gleich daneben im Boden verankert war. Damit war der kleine Raum auch schon fast vollständig ausgefüllt. Ich konnte einen Schauder nicht unterdrücken, als sich die Öffnung lautlos wieder schloß und uns in diesem winzigen Behälter einsperrte.
Nikal sah mich besorgt an. »Kannst du es für eine Weile aushalten?« fragte er. »Das ist zwar nicht die komfortabelste Art zu reisen, aber auf kurze Entfernung die einfachste. Es wird nicht lange dauern, Prinzessin.« Ich nickte verkrampft, und er zeigte mir, wie ich meine Beine am besten unterbringen konnte. Die Liege war erstaunlich bequem und paßte sich sanft meinem Körper an. Ich blickte mich um und sah vor mir eine schwarze Tafel, auf der in einem gelblichen Licht fremdartige Schriftzeichen und Symbole glommen. Gebannt sah ich darauf und bemerkte, daß die Zeichen wie Ameisen über die Tafel wanderten und manche von ihnen sich dabei magisch in andere verwandelten.
Nikal saß neben mir und ließ seine Finger über verschiedenfarbig leuchtende Felder auf seinen Armlehnen gleiten,
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