Ellorans Traum
erstaunten Augen traf mich. »Du bist ja doch ein Mädchen!« stellte er überrascht fest. Mir wurde übel. Im nächsten Augenblick würde sich Tom, der Spielmann, sicherlich angeekelt von der Mißgeburt abwenden, die er liebkost hatte.
»Nein«, hörte ich mich stammeln. »Ich bin gar nichts. Ich bin ein T'svera.« Ich konnte ihn nicht ansehen, ich fürchtete seinen verächtlichen oder, schlimmer noch, mitleidigen Blick. Er legte den Kopf zurück und stieß den Atem heftig aus. Dann begann er zu lachen. Das war noch weit schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte! Erniedrigt schob ich ihn heftig fort. Er fing meine Hände ab und hielt sie fest, dann zog er mich trotz meiner Gegenwehr an sich und umarmte mich. Mein Kopf lag an seiner Schulter, und er streichelte beruhigend mein Haar. Leise flüsterte er liebevolle, kosende, sinnlose Worte, bis mein Schluchzen verstummte.
»Ich habe nicht über dich gelacht, chu-chula . Ich lache über mich und über meine eigene Dummheit. Ich mußte doch denken, daß etwas mit mir nicht stimmt, daß ich auf meine alten Tage vollkommen übergeschnappt bin. Du hast mich nun zumindest ein wenig beruhigt. Ich bin also nicht völlig verrückt, nur ein ganz kleines bißchen.« Er lachte wieder, leise glucksend – und wuschelte durch mein Haar. Dann gab er mir einen festen, liebevollen Kuß auf den Mund, wischte die Tränen von meinem Gesicht und zog mich in die Höhe.
»Komm, mein geliebter kleiner T'svera, laß uns das Frühstück bereiten, ehe Akim aufwacht und anfängt, danach zu schreien.« Ich sah mich verwirrt um. Der Heiler schien sich in den Wagen zurückgezogen zu haben, denn ich konnte ihn nirgends entdecken. Tom hockte neben der Feuerstelle, legte einige abgestorbene Äste und Zweige darauf und mühte sich dann nicht sehr geschickt mit seinem Feuerstein ab. Ich fühlte mich plötzlich ganz leicht und übermütig. Lachen kribbelte in meinem Bauch und sprudelte über. Tom sah überrascht auf und blinzelte mich dann fröhlich an. Ich hob meine Hände und entzündete, immer noch kichernd, das feuchte Holz. Tom schrie auf und machte einen erschreckten Satz zurück.
»Verflucht, was ist das?« schrie er mit sich überschlagender Stimme. Hinter mir ertönte ein lautes Poltern, und der spärlich bekleidete Heiler stürmte mit grimmiger, verschlafener Miene aus dem Wagen, entschlossen ein riesiges Schwert durch die Luft schwenkend. Dann bremste er plötzlich und ließ die Waffe sinken.
»Was, bei allen Würmern in Omellis Holzbein, treibt ihr beiden nur hier draußen?« fluchte er erbost. »Es hat euch wohl nicht gereicht, daß ihr mich mit eurem Geturtel die ganze Nacht wachgehalten habt; müßt ihr jetzt auch noch herumbrüllen, daß ich glauben muß, wir werden überfallen?« Wutentbrannt feuerte er das Schwert zu Boden, stapfte zum Wagen zurück und schmetterte die Tür hinter sich zu. Tom und ich sahen uns sprachlos an und brachen dann in hilfloses Lachen aus.
Erschöpft und atemlos lagen wir uns in den Armen. Tom streichelte meinen Rücken und knabberte zärtlich an meinem Ohr. Ich mußte an Magramanir denken und fühlte schon wieder kitzelnd ein Lachen aufsteigen. Himmel, tat das gut! Wie lange hatte ich nicht mehr so gelacht? Ich konnte mich nicht einmal mehr erinnern!
»Wie hast du das eben gemacht?« flüsterte Tom mir ins Ohr.
»Was?« fragte ich unaufmerksam. Er tat da gerade etwas mit seinen Händen, was mich sehr von seiner Frage ablenkte.
»Das mit dem Feuer«, wisperte er und ließ seine Finger kreisen.
»Große Göttin«, keuchte ich atemlos, »wenn du nicht deine Pfoten da wegnimmst, wirst du keine Antwort von mir – nein! Nicht aufhören!« Er lachte und streckte beide Hände in die Luft.
»Erst eine Antwort auf meine Frage«, neckte er.
»O bitte, Tom«, bettelte ich. »Das ist nicht gerecht!«
Er schüttelte den Kopf und grinste verschlagen. »Raus mit der Sprache. Wie hast du das gemacht?«
»Gut, du hast gewonnen. Ich habe gezaubert.« Er warf mir einen angewiderten Blick zu und stand wortlos auf. »Tom, bitte! Ich sage die Wahrheit!« Flehend griff ich nach seinen Schultern. Mir wurde zum ersten Mal bewußt, daß ich fast einen Kopf größer war als er. Seine Augen wirkten kalt und verletzt. Ich legte eine Hand auf seine pelzige Brust und machte das Zeichen des Wahren Mundes. Er verstand nicht. »Tom, du mußt mir glauben. Du hast doch selbst gesagt, daß ich viel zu ungeschickt wäre, dich anzulügen!«
Sein Gesicht wurde nachdenklich. Er griff
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