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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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die Skizzen, »das will ich wirklich.«
    »Also bist du auf dem richtigen Weg, ja?«
    Er nickte. »Frenzen hat gesagt, dass er mich unter Vertrag nehmen wird, sobald ich etwas liefere.«
    »Essen ist fertig.« Man konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören.
    »Und Alin?«, fragte ich ihn.
    »Was und Alin?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ist es ernst?«
    »Sie ist fürsorglich. Sie ist schön. Sie glaubt an mich. Ich habe sie gerne um mich.«
    »Essen ist fertig!«
    Sie hätte das Ganze auch einfach Auberginenauflauf nennen können. Während Alin aß, zerpflückten Lorenz und ich den Brocken auf unserem Teller.
    »Auberginen enthalten eine Menge Ballaststoffe und Magnesium.« Sie lächelte. Und dann musste ich lächeln. Vor meinem inneren Auge öffnete sich die Tür unseres Esszimmers im Fast-Hotel: Elsa und ein kleiner, fetter Junge sitzen nebeneinander. Das Mädchen spuckt eine gegrillte Aubergine aus. ›Es schmeckt nach Tschernobyl. Frau Kratzler gibt uns Tschernobyl zu essen.‹ Mit der flachen Hand haut sie Fetti auf den Hinterkopf. ›Ausspucken, oder willst du sterben?‹
    Er gehorcht. So wie er ihr immer gehorcht hat, ihr immer gehorchen wird.
    »Frosch oder König?« Alins Stimme holte mich zurück.
    »Was?«
    »Scheiße, hab ich vergessen, dir zu sagen, Karl. Mirbergs Party steht unter dem Motto ›Frösche und Könige‹.«
    »Könige und Frösche«, fiel sie ihm ins Wort.
    »Eine Mottoparty? Wie grausam.«
    »Tja.«
    »Ich habe nur einen Anzug mit.«
    »Frosch«, sagte Alin.
    Eine Gruppe Londoner Street-Art-Künstler hatte die Betonwände in der unteren Etage des Fabrikgebäudes mit Graffiti besprüht. Ausschließlich in Grün, Gold und Karminrot.
    Das Licht schimmerte ebenfalls in den drei Farben von Mirbergs Wahl. An der Decke hingen Hunderte goldene Kugeln.
    Es gab Polstergondeln als Sitzgelegenheiten, Brunnen, aus denen Wein, Champagner und Wodka sprudelten. Anmutige, grüngekleidete Frauen reichten kleine goldene Tellerchen mit Froschschenkeln und Königspasteten.
    Mirberg empfing seine Gäste auf einem Thron. Über dem purpurnen Samtdoublet trug er einen Brokatmantel. An den Füßen schwere Lederstiefel, an den Fingern Siegelringe und auf dem Kopf eine Krone.
    Unsere letzte und einzige Begegnung lag knapp zehn Jahre zurück. Die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen und Sebastian Mirberg ein leichtes Doppelkinn beschert. Der Bauchansatz war gewachsen, die Haarpracht gelichtet und an den Schläfen ergraut.
    »Alles Gute zum Geburtstag«, sagten wir im Chor.
    Er küsste Alins Hand, drückte die meine herzlich und umarmte Lorenz.
    »Willkommen in meinem Märchen«, rief Mirberg.
    Alin lächelte. »Es ist zauberhaft.«
    »Hoffentlich, denn der Zauber ist das Wesen eines jeden Märchens. Mitternacht, ein sprechender Wolf, drei Nüsse… Ach, nicht nur drei Nüsse! Andauernd verlangen die Herren Grimm und Kollegen, dass man Dinge dreimal wiederholt. Und dieses Märchen«, er breitete seine Arme theatralisch aus, »habe ich sogar zu Papier gebracht.«
    »Tatsächlich?«, fragte Alin.
    »Es heißt Die Frösche der Könige und spielt in einem Land, in dem alle Männer Könige und alle Frauen Frösche sind.«
    »Dann bin ich falsch angezogen«, sagte Alin und deutete auf ihr Diadem und die rosafarbene Korsagenrobe. »Darf ich es trotzdem lesen?«
    Ich konnte nicht weiter zuhören, denn das grüne Ministretchkleid, in das mich Alin gesteckt hatte, rutschte immer wieder über meinen Po, es zurechtzuzupfen beanspruchte meine ganze Aufmerksamkeit.
    Schließlich überließen wir Mirberg den nächsten Gratulanten und mischten uns unter die Menge. Schon bald verlor ich meinen Bruder und Alin aus den Augen. Ich postierte mich neben einen der Wodkabrunnen und trank reichlich. Ein wenig origineller Versuch, meine Verlegenheit, das rutschende Kleid und meinen in einer weißen Nylonstrumpfhose eingeklemmten Schwanz zu vergessen.
    Dreimal, als ob die Brüder Grimm ihre Finger im Spiel gehabt hätten, fiel mein Glas zu Boden. Als ich mich zum dritten Mal bückte, kippte ich einfach zur Seite. Jemand half mir hoch, sagte etwas, aber die laute Musik verschluckte seine Worte. »Danke«, schrie ich und wankte davon.
    Oben irrte ich durch ein Labyrinth düsterer Gänge. Keine Musik, nur vereinzelt Menschen. Rechts und links Türen. Wahllos öffnete ich eine. In der Mitte des Zimmers ein mit Stacheldraht überzogener Thron, auf dem eine Babypuppe saß, nackt. Nur eine Dornenkrone schmückte ihr Plastikhaupt. Ich trat einen

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