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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Schritt näher, und plötzlich fing die Puppe an zu weinen. Erst draußen bemerkte ich das Schild neben der Tür: Königskind – allein, David Hellford .
    Ich ging vorbei an Brunnen: Er! Sie! Es! von Melchior Opper, an Green Animals von Ida Stonewild , an einer Tafel mit chinesischen Schriftzeichen und entschied mich dann für das verheißungsvolle Ein Versprechen von Martine Murat .
    Links stand ein Sofa, auf das ein Holzpfeil mit der Aufforderung »Setzen!« deutete. Ich nahm Platz. Zu meinen Füßen lag eine Fernbedienung mit einem einzigen roten Knopf. Ich drückte darauf. Auf die mir gegenüberliegende Wand wurde im Zeitraffer die Entwicklung der Kaulquappe zum Frosch projiziert. Eine Knabenstimme erfüllte den Raum:
    Als ich Kind war, haben sie mir gesagt, dass ich alles werden kann.
    Als ich Kind war.
    Als ich Kind war, erträumte ich mir ein Leben in den Lüften.
    Sie haben gesagt, dass ich alles werden kann.
    In den Lüften wollte ich segeln.
    Als ich Kind war.
    Abrupt verwandelte sich die Knabenstimme in einen tiefen Männerbariton: Sie haben ihr Versprechen nicht gehalten.
    Und dann ging es wieder von vorn los: Als ich Kind war, haben sie mir gesagt, dass ich alles werden kann…
    Ich rannte hinaus. Wollte nach unten, wollte in die Menge tauchen, in den Wodka tauchen. Aber ich lief in die falsche Richtung: nicht die Treppe, sondern eine letzte Tür erwartete mich am Ende des Ganges. Das fehlende Schild ließ mich hoffen, dass sich hinter der Stahltür etwas Normales, vielleicht eine Bar oder zumindest eine Toilette befinden würde.
    Auf dem Betonboden lagen ein Paar rote Pumps, ein grüner Pailletten-Overall, eine Handvoll toter Kaulquappen, und in der freistehenden Badewanne: Vera Mirberg.
    Augenblicklich ergriff mich ein Gefühl von Scham oder vielmehr der Schatten eines längst vergangenen Unwohlseins. Ich wollte die Tür wieder schließen.
    »Bleib… Setz dich ein bisschen zu mir. Bitte!«
    Dieses Wort, ›Bitte‹, klang so traurig, noch immer so traurig.
    Ich hockte mich auf den Rand der Badewanne. Kein Schaum bedeckte ihren nackten Körper.
    »Kennen wir uns?«, fragte sie.
    »Ja, wir kennen uns. Ich bin Karl. Lorenz’ Bruder. Ich hab dir schon mal beim Baden Gesellschaft geleistet, in Den Haag… Ist lange her.«
    Sie sah mich an, ihr Gesicht erhellte sich. »Ich erinnere mich… Ja… Du warst ein dickes Kind, und jetzt bist du ein Transvestit.«
    »Ein Frosch«, sagte ich.
    »War ich auch.« Sie deutete auf den grünen Overall.
    »Und ich dachte, ein Kunstwerk.«
    »Nein, das Kunstwerk habe ich wohl zerstört und vierzehn Kaulquappen dabei getötet. Es hieß…« Vera lehnte sich über den Wannenrand und fischte ein zerknülltes Stück Pappe hervor. »Es hieß: Forever Young .«
    Wir lachten.
    Wieder beugte sie sich zur Seite: ein Spiegel, sechs feine, weiße Linien. Ein gerollter Geldschein.
    »Medizin?«, fragte ich.
    »Willst du auch?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie du siehst, Karl, es hat sich nichts geändert.« Drei Pulverstreifen verschwanden im rechten, drei im linken Nasenloch.
    »Und Mirberg? Engagiert er sich inzwischen für den Regenwald?«
    Ihr Lachen hatte einen bitteren Klang. »Eines Tages wird er bezahlen… Ich werde ihn bezahlen lassen. Das ist ein Unterschied. Manchmal bin ich kurz davor, ihn einfach zu erschießen. Und weißt du, warum ich es nicht tue?«
    »Gefängnis?«, mutmaßte ich.
    »Nein, weil ich Angst habe, dass ich ihn vermissen würde.« Vera seufzte und streckte ein Bein in die Luft. »Adlig… adlige Beine… Wo ist das Mädchen mit den wilden Haaren?«
    »Elsa. Sie heißt Elsa.«
    »Wo ist sie?«
    »In Throckmorton.«
    »Das klingt weit weg.«
    »Texas.«
    »Und geht es Elsa gut?«
    »Ich weiß es nicht… Ich hoffe.«
    »Sie fehlt dir?«
    »Ja.«
    Vera lächelte. »Hast du dich auch der Kunst verschrieben?«
    »Nein. Ich mache gerade meinen Zivildienst in einem Altersheim, und danach will ich studieren. Vielleicht BWL .«
    »Vorbildlich.«
    Jemand betrat das Zimmer. »Mann, Karl. Ich suche euch schon die ganze Zeit. Wo ist Alin?«, fragte er.
    »Keine Ahnung. Wo ist deine Krone?«
    Lorenz betastete seinen Kopf. »Verloren.« Erst jetzt schien ihm aufzufallen, dass da jemand in der Wanne lag.
    Vera fing an zu bellen. »Mirbergs Hündchen«, sagte sie.
    Mein Bruder sah sie scharf an. »Kannst du nicht…« Er verstummte, sein Blick fiel auf die toten Kaulquappen. »Sag mal, Vera, spinnst du? Mirberg wird durchdrehen.«
    »Bestell ihm einen schönen Gruß.

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